Merkur, 01.04.2015
Markus Thiel
 
Verdi: Messa da Requiem, Salzburg, 31.3.2015
 
Verdi aus dem Geiste Adenauers
Wohlfeil ist das inzwischen geworden und daher etwas dröge, nämlich Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ gegen ihre mutmaßliche Opernhaftigkeit in Schutz zu nehmen. Viel besser als zu argumentieren, ist doch eines: entsprechend zu handeln. Also die ganzen Schnörkel rauszunehmen, die Bremsmanöver, wenn es besonders emotional wird, die plakativen Knaller. Dass gerade Christian Thielemann so handelt, als Bauchmusiker dem „Verweile doch“ nicht abgeneigt, das überrascht dann allerdings doch.

Nur ja keine Mätzchen, dieses Credo bestimmte zumindest den ersten Teil dieser Aufführung bei Salzburgs Osterfestspielen. Zügige Tempi, minimale Ritardandi, um dann gleich wieder zum Grundpuls zurückzukehren, keine theatrale Textausdeutung, eine große Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit im Umgang mit dem Schwergewicht, dazu die knappe Gestik des mittlerweile dirigierenden Minimalisten Thielemann: „Keine Experimente bitte“ sprach aus dieser Deutung, Verdi aus dem Geiste Adenauers gewissermaßen. Kein Abend religiöser Bekenntnisse, sondern des reflektierten Handwerks. Was alles nicht heißt, dass Details ignoriert wurden – die abstürzenden Linien im „Dies irae“, die gern im Radau untergehen, überhaupt die genaue Balance zwischen Chor und Orchester. Mag auch sein, dass all dies aus anderem resultierte – tägliche Einsätze der Staatskapelle Dresden, da ist die Probenzeit knapp, interpretatorische Eskapaden verbieten sich folglich.

Je länger die Aufführung dauerte, desto mehr wurde riskiert. Auch weil die Solisten, allen voran Jonas Kaufmann, ihr Recht auf zelebrierte Soli einforderten. Der Star lieferte nicht nur Power, sondern wagte auch Piano-Effekte, wobei bei ihm Lyrismen weiterhin so tönen, als werde der Klang abgeklemmt. Wie man eine entspannt auf dem Atem liegende Mezzavoce produziert, das führte Bassist Ildar Abdrazakov vor – unter anderem im „Hostias“, ausgerechnet in der Wiederholung von Kaufmanns vorausgehender Phrase.

Dass der Münchner im Solistenquartett nur auf Platz vier landete, spricht nicht gegen ihn, sondern für die außerordentliche Qualität der anderen. Besonders im Falle von Anita Rachvelishvili, eine Mezzosopranistin mit großer Stimme in jeglicher Hinsicht. Vor allem aber kann sie ihr einschüchterndes Material so bündeln, kanalisieren und biegen, dass schier alles gelingt, was sie an Ausdruck will. Ihr „Lux aeterna“ wurde zum Höhepunkt des Abends. Ganz ähnlich vokalgestrickt ist Sopranistin Liudmyla Monastyrska, der nur am Ende (nervositätsbedingt?) kleine Ansatzhärten passierten, die sich dafür aber im tobenden Tutti mit einem triumphierenden hohen C durchsetzte.

Jonas Kaufmanns Testosteron-Forte bleibt ein Suchtmittel, zwei kleine Kratzer kündeten vom derzeitigen Dauerstress. Kollege Ildar Abdrazakov gab nicht den Donner-Bass, sondern den Stilisten. Und wie man die drei Tugenden Prägnanz, Präzision und unforcierte Wucht verbindet, führte der Chor des Bayerischen Rundfunks vor. Standing Ovations, der Besitzer des klingelnden Handys aus dem „Salva me“ dürfte da bereits gelyncht worden sein.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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