In Robert Altmans Film „Gosford Park“ (2001) gibt bei einer
englischen Landhausgesellschaft der Dreißigerjahre der Filmstar Ivor
Novello nach dem Dinner einige aktuelle Songs zum Besten. Während
die noblen Gäste das eher als Kuriosität über sich ergehen lassen,
lauscht die Dienerschaft auf der Hintertreppe beschwingt, mit
glasigen Augen...
Szenenwechsel ins Wiener Konzerthaus. „Ach,
bei ihm ist ja eigentlich egal, was er singt!“, schwärmte dort zur
Pause eine Dame im Kreise ihrer nicht minder enthusiastischen
Freundinnen. Ein bisschen klang es so, als wolle sie sich anstelle
des Stars für ein solches „Hintertreppenprogramm“ rechtfertigen.
Warum? Muss man mittlerweile Opernfreunde zur sogenannten leichten,
zugleich jedoch ungemein schweren Muse hin(ver)führen?
Tenor-Tausendsassa Jonas Kaufmann kann es sich jedenfalls leisten,
seine aktuelle CD „Du bist die Welt für mich“ auf Tournee mit dem
Münchner Rundfunkorchester unter Jochen Rieder zu promoten und einen
ganzen Abend mit Musik zu bestreiten, die sonst gewöhnlich nur durch
den Dienstboteneingang, sprich: als Draufgabe, Zugang zu einem
Lieder- und Arienabend erhält. Das ist nicht despektierlich gemeint,
im Gegenteil: Die stilistische Weite ist doch enorm, etwa zwischen
Lehars Octavio, der das Leben als lebenswert preist („Giuditta“
wurde 1934 mit Richard Tauber in der Wiener Staatsoper uraufgeführt)
und einem Operntenor, der in Gestalt von Jan Kiepura in der
Filmschmonzette „Das Lied einer Nacht“ (1932) die Geliebte mit
Mischa Spolianskys wunderbarer Nummer „Heute Nacht oder nie“
anschmachtet.
Nicht immer leicht: der „leichte“ Ton
Kaufmann nimmt diese Herausforderung dankbar an. Er wirkt dabei
aber im Konzert doch stets dort am stärksten und unmittelbarsten, wo
er inbrünstig seine volle Opernstimme einsetzt, mit aus dem Piano
aufblühenden hohen Schlusstönen prunkt, wohldosierte Schluchzer und
elegante Verzierungen einbaut: ehrliches Pathos im Dienste der
Operette. Weniger glamourös klingt es, wenn er live in den
schlankeren, jazzig inspirierten Nummern seinen Flirt mit dem
Studiomikrofon wiederholen will: Über die Verstärkeranlage büßt sein
immer wieder ins Pianissimo zurückgenommener Stimmklang empfindlich
an Farbe und Glanz ein – und das locker gemeinte Mitswingen wirkt
nicht durchwegs echt. Doch der verschmitzte Charme in Kaufmanns
Vortrag bleibt, manchmal gekonnt wienerisch gefärbt, in den Zugaben
auch als „Rössl“-Kellner Leopold. Standing Ovations, Blumensträuße,
eine Goldene Schallplatte und zuletzt selbstironisch umgetexteter
Robert Stolz: Ist ja doch egal, was er singt.