„Freunde, das Leben ist lebenswert!" schmettert Jonas Kaufmann zu
Beginn seines Gala-Abends mit dem Münchner Rundfunkorchester in der
Stuttgarter Liederhalle. Der Startenor ist derzeit mit seiner von
einer bayerischen Autofirma gesponserten
„Du-bist-die-Welt-fürmich"-Tournee unterwegs, und im Foyer zum
Beethovensaal der Liederhalle steht passend ein schmuckes
Oldtimer-Cabrio aus jener Zeit Ende der Dreißigerjahre des
vergangenen Jahrhunderts, wo Lehár und Kálmän, Robert Stolz und
Richard Tauber auf den Operettenbühnen zuhause waren. Die Ohrwürmer
aus deren Stücken, erinnerungsträchtig im Gegensatz zu den
allermeisten Musical-Nummern heutzutage, haben auch die Kriegs- und
Nachkriegszeit überlebt. So sitzen neben Jonas-Kaufmann-Fans
jeglichen Alters nicht wenige Senioren im bis auf den letzten Platz
gefüllten Saal, die in den Fünfzigerjahren solcherart musikalisch
sozialisiert wurden. „O Signora, Signorina (...) das Leben ist
schön!" aus Franz Lehárs „Giuditta" stemmt Kaufmann seinen
funkelnden Tenor — hier noch ganz ohne Mikrofonzuschaltung —
euphorisch in die Höhe. Der Saal jubelt begeistert.
Mit dem
silberfarbenen Röhrenmikrofon auf der Bühne hat es seine eigene
Bewandtnis. Je nach Charakter der „Lieder", die er aus seinem
Leichte-Muse-Album zum Besten gibt, wird seine Stimme mal mehr, mal
weniger oder gar nicht verstärkt, was einigen der Stücke, die aus
Filmen oder Shows der damaligen Zeit stammen, einen besonderen Reiz
von Leichtigkeit und Intimität verschafft. Und Jonas Kaufmann
serviert manche solcher Nummern wie Mischa Spolianskys „Heute Nacht
oder nie" oder „Im Traum hast Du mir alles erlaubt" aus dem Film
„Liebeskommando" mit ironischem Augenzwinkern. Auch das kommt beim
Publikum bestens an: Gerade die unterschiedlichen Nuancen, die der
gefeierte Opernstar hier den einzelnen Stücken angedeihen lässt,
ohne jedes Pathos und mit leichter Distanz zum sentimentalen
Schwulst mancher Texte, machen diesen Abend zu etwas Besonderem.
Wenn Jonas Kaufmann aus seiner sonoren, dunkel getönten
Mittellage den vokalen Gefühlsregler nach oben zieht, lässt er die
Höhen in der Kopfstimme öfters seidig schimmern. Mit Emmerich
Kalmáns Tassilo aus seiner Operette „Gräfin Mariza" grüßt er „die
süßen, die reizenden Frauen im schönen Wien", in Lehárs „Gern hab'
ich die Frau'n geküsst" mischt er ein paar Tropfen Parfüm ins
muntere sängerische Parlando, nach samtigem Anlauf und kapriziösen
Schnörkeln strahlt dann wieder der Schlusston. Jochen Rieder schafft
dazu mit dem Münchner Rundfunkorchester eine manchmal nicht ganz
adäquate, zu wenig klanglich flexible Grundlage. In den
zwischengeschalteten Instrumentalstücken, wie den ,Ballsirenen" aus
der „Lustigen Witwe" oder dem Walzer aus „Der Graf von Luxemburg",
kommt das im Tutti etwas grob über die Bühne. Doch einige der
Arrangements von Andreas N. Tarkmann werden in reduzierter Besetzung
mit Streichsextett und gezupftem Kontrabass zu den mit Saxophon
erweiterten Bläsern gespielt, und das klingt dann schon viel
spritziger. Das Tourneetitel gebende „Du bist die Welt für mich" von
Richard Tauber, dynamisch vom streichelnden Piano bis zur Goldkehle
im Fortissimo großartig variiert, oder Lehárs „Dein ist mein ganzes
Herz" aus seiner Operette „Das Land des Lächelns" sind da natürlich
mit Leidenschaft gesungene Hits, vom Arientypus gängiger Operngalas
nicht so weit entfernt. Aber faszinierend ist Jonas Kaufmanns Kunst,
seine vokale Skala zu verändern und für die schlagerartigen
Evergreens mit lächelnder Leichtigkeit einzusetzen, auch in den
Zugaben. „Irgendwo in der Welt", von Werner Richard Heymann für
Lilian Harvey und Willy Fritsch, das Traumpaar des deutschen Films,
1932 komponiert, atmet diesen naiven Charme, wie auch Ralph
Benatzkys „Es muss was Wunderbares sein", ursprünglich eine Nummer
aus seiner Operette „Im weißen Rössl". Und mit Taubers „Frag nicht,
warum ich gehe" macht Jonas Kaufmann — nach Blumen, Panettone,
Teddybär, von Fans aus dem Publikum aufs Podium gereicht — den
leicht melancholischen, heiteren Abgang eines Abends mit
musikalischem Esprit.