(irr) Christian Thielemann schätzt als Durstlöscher Gerstensaft,
heißt es. Immer, wenn der Stardirigent in Bayreuth Dienstschluss
habe, lasse er sich noch im Orchestergraben ein Weißbier kredenzen.
Der Meister der deutschen Töne also auch als Freund deutscher
Tränke: Das glaubt man gern. Überprüfen lässt es sich freilich
nicht. Ein "Schalldeckel" schützt das Orchester der
Wagner-Festspiele vor zudringlichen Blicken.
Nun gibt es eine
solche Barriere im Großen Salzburger Festspielhaus nicht, und man
hat Thielemann dort am Samstag auch erwartungsgemäß nicht mit einem
Bier gesehen. Hätte er sich da an einem Hopfensaft erlabt, wäre das
allerdings auch stilistisch ziemlich unpassend gewesen. Thielemann,
seit 2013 künstlerischer Leiter der Osterfestspiele, hat sich heuer
auf ungewohntes Gebiet gewagt - nämlich ins Verismo-Fach. Mit
"Cavalleria rusticana" und "Pagliacci", den beiden Opernhits von
Pietro Mascagni beziehungsweise Ruggero Leoncavallo, nahm sich der
Berliner nun also sinnliche, süffige Italianità zur
Kapellmeisterbrust.
Und? So langweilig es ist, Klischees zu
bestätigen: Thielemann scheint mit dieser Musik noch nicht ganz warm
zu werden. Seine Gestaltungsmittel - vor allem Rückungen und
Zäsuren, mit denen er deutschromantische Klangmassen unerhört
dynamisiert - wollen bei Mascagni nicht recht greifen: statt
strömendem Klangfluss immer wieder ein Ruckeln mit hartkantigen
Akzenten. Sinnlichkeit, die sich ausgießt, dann erst beim
"Pagliacci" - einer Oper, die dem Maestro dank ihres
Sturm-und-Drang-Gestus überhaupt eher zupasskommt. Auch an satten
Farbeffekten kann die Sächsische Staatskapelle Dresden da einiges
abrahmen.
Jonas Kaufmann dagegen agiert in beiden Opern
phänomenal. Als Turiddu, der seine Partnerin betrügt, ebenso wie als
betrogener Clown Canio reüssiert er mit einem kehligen, der
Melodielinie nicht minder als der Inbrunst Rechnung tragenden Tenor.
Eine Glanzleistung, hinter der die schauspielerische Leistung nicht
zurücksteht: Wenn sich Canio zuletzt einen absurden Riesengrinser
ins Gesicht malt, wirkt der Traumablick dazu umso bestürzender.
Sichtbar wird dies, weil die Regie mit ähnlichen Tricks wie im
Römersteinbruch St. Margarethen arbeitet: Philipp Stölzl lässt die
Großaufnahmen einer Kamera auf ein Stück Bühnenwand projizieren. Nur
ein Kniff aus der Trickkiste: Stölzl hat die Kingsize-Bühne auf zwei
Etagen gesechstelt und lässt die Parzellen oft parallel bespielen.
Mitunter wirkt das, als würden die Kästchen eines Comic-Hefts zum
Leben erweckt.
Bleibt die "Cavalleria", inszeniert als
düsteres Mafiadrama, schwarzweiß, schillert die Zirkuswelt des
Bajazzo später auf altmodische Art mattbunt. Zwar stimmt es: Die
Perspektiven, die Stölzl als Handlungsdeuter entwickelt, mögen nicht
sonderlich überraschen. Die Blickwinkel, die seine Bühnenbilder
eröffnen, aber sind stupend. Ein guter Abend ist es letztlich auch,
weil das Gros der Sänger überzeugt: Rauschender Jubel auch für
Liudmyla Monastyrska (Santuzza), Ambrogio Maestri (Alfio) und
Alessio Arduini (Silvio), in erster Linie aber natürlich für das
Weltstar-Gespann Kauf- und Thielemann.