Die Verismo-Opern "Cavalleria rusticana" von Pietro Mascagni und
"Der Bajazzo" ("Pagliacci") von Ruggero Leoncavallo wurden am
Samstagabend bei den Osterfestspielen in Salzburg begeistert
akklamiert. Der einhellige Jubel galt nicht nur Christian
Thielemann, der Staatskapelle, dem Chor der Staatsoper Dresden und
den Solisten, sondern vor allem auch Regisseur und Ausstatter
Philipp Stölzl.
Die häufige, mit einzelnen Buh-Rufen
durchzogene Ablehnung von Regiearbeiten in ungewohnter
Opern-Ästhetik ist bei dieser Premiere im Großen Festspielhaus
völlig ausgeblieben. Im Gegenteil: Das Publikum hat die Sichtweise
des deutschen Video-, Film- und Theatermannes widerspruchslos
gutgeheißen.
Stölzl hat die beiden, wegen ihrer nicht
abendfüllenden Länge von je 75 Minuten und ihrer stilistischen,
inhaltlichen und historischen Seelenverwandtschaft meistens
gemeinsam aufgeführten Opern wie ein Fernsehregisseur in Szene
gesetzt. Dafür hat er eine senkrechte Fläche am vorderen Bühnenrand
eingezogen und in sechs Sektionen geteilt. Das wirkt wie drei mal
zwei riesige Flatscreens, die mit schwarzen Blenden herrlich
altmodisch geöffnet und geschlossen werden. Auf diesen neben- und
übereinander angeordneten Spielflächen zeigt Stölzl parallel die
verschiedenen Handlungsstränge. Es wird live gespielt, mit der
Kamera aufgenommen und auf einen der anderen Schirme projiziert. Wie
in einer TV-Oper erlebt der Zuschauer nicht nur kleine Figuren auf
der Riesenbühne, sondern wahlweise auch Großaufnahmen. Das macht die
kleinste Regung in der Mimik der Hauptdarsteller erlebbar oder zeigt
eine Aktion von zwei Seiten gleichzeitig.
In Mascagnis
"Cavalleria rusticana" konzentrieren sich Stölzl und seine
Kostümbildnerin Ursula Kudrna auf die Farben schwarz und weiß. Die
Kulissen wirken wie Tusch-Zeichnungen alter Stadtlandschaften. Der
"Bajazzo" hingegen ist - der Welt der fahrenden Gaukler und
Possenreißer entsprechend - kunterbunt und aufgeladen mit Requisiten
der fahrend Zunft. In beiden Opern kombiniert das Regieteam die
Live-Bühne mit der Großaufnahme, schafft intime Räume mit doppelten
Perspektiven und definiert den Abstand des Betrachters zum
Eifersuchtsdrama nach Belieben. Der Preis dieses insgesamt
überzeugenden Konzeptes: Die Tiefe des Bühnenraums im Festspielhaus
geht zugunsten des zweidimensionalen Bildschirm-Formats verloren.
Nicht immer so durchdacht scheint Stölzls Positionierung des
Chores. Dafür bleibt im extrem flachen Bühnenkonzept eben kaum noch
Raum. Auch die Bewegungsdramaturgie des handelnden Bühnenpersonals
kommt mit der Modernität der optischen Gesamt-Ästhetik nicht mit.
Allen hochauflösenden Digital-Projektionen zum Trotz wird in
Salzburg durchaus konventionell geschmachtet, gelitten und gemordet,
gespielt und gesungen.
Thielemanns Klangkonzept ist
blitzsauber und diszipliniert wie immer. Herzhafte Ausbrüche des
italienischen Opernklangs bleiben wohldosiert. Die Sänger nicht
zuzudecken sondern zu tragen ist Markenzeichen des Sächsischen
Chefdirigenten und liegt der opernaffinen Staatskapelle ebenso im
Blut. Auch der vom Salzburger Bachchor verstärkte Sächsische
Staatsopernchor Dresden und der Salzburger Festspiele und Theater
Kinderchor fügen sich gut ins akustische Gesamtbild. Auch
musikalisch gibt es also nichts zu meckern an dieser Salzburger
Premiere.
Superstar Jonas Kaufmann hat in beiden Opern
debütiert und in den zentralen Rollen des Turiddu und des
Canio/Bajazzo mit einzelnen, genialen Passagen gepunktet. Über eine
in allen Lagen ausgewogene, auch in der Tiefe kraftvolle Stimme des
italienischen Fachs verfügt Kaufmann allerdings nicht. Zum Teil
wirkt er sogar reichlich dünn, aber mit seiner schauspielerischen
Präsenz, souveränen Musikalität und dem Instinkt für den richtigen
Moment holt er sich alle Sympathien auf seine Seite. Groß, mächtig
und strahlend im Klang präsentierte sich Liudmyla Monastyrska in der
enorm großen Hauptrolle der Santuzza. Mühelos füllte die Ukrainerin
das Festspielhaus mit wuchtigem Sopran. Zusammen mit Ambrogio
Maestri, Stefania Toczyska und Annalisa Stroppa bildete sie ein sehr
gutes "Cavalleria"-Ensemble. Im "Bajazzo" gesellte sich Maria
Agresta mit ihrer hervorragenden, souveränen Nedda zu Kaufmann. Auch
Dimitri Platanias, Tansel Akzeybek und Alessio Arduini sind
festspielwürdige Solisten, die ihren Anteil am großen Applaus für
die beiden zentralen Verismo-Opern bei den Osterfestspielen Salzburg
redlich verdient haben.