Salzburg – In strenger Schwarz-Weiß-Optik geht die Sache los.
Regisseur Philipp Stölzl kommt vom Film und das zu merken, ist
wahrlich nicht schwer. Die von Stölzl gemeinsam mit Heike Vollmer
entwickelte Bühne unterteilt sich in sechs Kammern, die mal konkrete
Handlungsorte von Pietro Mascagnis Oper „Cavalleria rusticana“
zeigen, mal per Video herangezoomte Großeinstellungen der
Protagonisten. Diese spezifische Mischung erzeugt einen Sog, dem man
sich gerne aussetzt und man ist ständig neugierig, welches
„Fensterchen“ was als Nächstes wohl zeigen wird – und doch bleibt
das Ganze letztlich ein bisschen zu dekorativ. Andererseits ist die
„Cavalleria“ ja ein Kernstück des so genannten Verismo, es geht also
um echte Gefühle und eine nicht zu komplizierte Handlung, verpackt
in kräftige, vorwärtsdrängende Musik. Dazu passt – gerade als
Kontrast – Stölzls eher ruhige Erzählweise doch recht gut. Jonas
Kaufmann gibt sein Rollendebüt als Turiddu, welcher seine Verlobte
Lola einst zwecks Ableistung des Militärdienstes verlassen musste.
Während seiner Abwesenheit hat sie sich neu orientiert, nach
Turiddus Rückkehr indes flammen alte Gefühle auf, am Ende stirbt
Turiddu im Duell.
Jonas Kaufmann brauchte wieder einmal
ziemlich lange, um sich freizusingen, um sein gaumiges Timbre zu
besiegen und so kam er erst zum Schluss so richtig vokal in Fahrt.
Ambrogio Maestris Alfio gefiel durch satte Baritontöne, bei den
Damen überzeugte leider nur Annalisa Stroppas Lola. Christian
Thielemann legte am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden den
Fokus auf Klangschönheit, gediegene Tempi und präzise
Akzentuierungen, man hätte sich etwas mehr Wagemut und
Überraschungsmomente gewünscht.
Für Ruggero Leoncavallos
ebenfalls veristische Kurzoper „Pagliacci“ schaltet Thielemann
erfreulicherweise vom Autopiloten auf manuelle Schaltung, energisch
ruppig geht es zu, die Dresdner dürfen und können alle Facetten
ihres Könnens und die der Partitur ausspielen. Jonas Kaufmann
debütiert als Canio und hier stimmt nun wirklich alles. Die Partie
schwankt zwischen Schmerz, Rachegelüsten, rasender Liebe und blinder
Wut. Jede Emotion findet bei Kaufmann ihren passenden vokalen und
gestischen Ausdruck. Canio ist Leiter einer Schauspieltruppe, wird
von seiner Frau betrogen und tötet sie nebst ihrem Liebhaber während
einer Theateraufführung, die ebenfalls eine Untreuegeschichte zum
Thema hat. Aus dem Spiel im Spiel wird brutaler Ernst. Neben
Kaufmann überzeugen auch alle anderen Sänger, besonders Maria
Agresta. Agresta gibt Canios treulose Gattin mit einer hinreißenden
Mischung aus Locken, Bangen, Verzweifeln. Philipp Stölzl zeigt das
Geschehen nun in farbigen Bildern, mehrfach vermischt und verwischt
er fotorealistische Szenerien mit ‚realen‘ Szenen auf der Bühne. Das
ist nicht nur technisch-handwerklich, sondern auch was die Führung
von Solisten sowie dem riesigen Chor- und Statistenensemble
betrifft, brillant.
Nach dieser Premiere beginnt nun der
übliche Osterfestspiel-Konzertzyklus. Ein Höhepunkt wird
möglicherweise Christian Thielemanns Dirigat des Requiems von
Giuseppe Verdi (31. März und 3. April). Auch interessant: der gleich
zweimalige Auftritt Isabel Karajans. Sie wird im Konzert für
Salzburg (am 2. April) bei Sergej Prokofjews „Peter und der Wolf“
die Erzählerin sein und im Kammermusikprojekt „Fräulein Tod trifft
Herrn Schostakowitsch“ (31. März und 5. April) spielen.
Nächstes Jahr dürfte es an der Salzach dann wieder etwas behaglicher
zugehen, zumindest szenisch. Regisseur Vincent Boussard und der
Modeschöpfer Christian Lacroix widmen sich Giuseppe Verdis „Otello“
mit Johan Botha in der Titelrolle. Das Team ist berüchtigt für seine
eher mittelprächtig inspirierenden Arbeiten.