Südtirol Online, 29. März 2015
C. F. Pichler
 
Mascagni: Cavalleria rusticana, Leoncavallo: Pagliacci, Salzburg, 28. März 2015
 
Osterfestspiele Salzburg: Jubel für „Cavalleria Rusticana“ und „Pagliacci“
 
Die „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni ist wohl der berühmteste Einakter der Operngeschichte und mit der weltberühmten Kurz – Oper „Pagliacci“ (Der Bajazzo) von Ruggiero Leoncavallo gehört sie zur Gattung des Verismo. Mit jeweils nur 75 Minuten wird hier ein packendes Musiktheater erzählt, dass nicht mehr aus den Palästen des Adels oder des Großbürgertums kommt, sondern aus dem einfachen Volk der arbeitenden Bauern und der vagabundierenden Komödianten.

Die menschlichen Verhältnisse und ihre sozialen Schilderungen wurden vom sizilianischen Dichter Giovanni Verga aus der realen Gegenwart erzählt. Diese Art von Alltagserleben aus Liebe und Hass, zwischen dem Ehrenhaften und der Treibhaftigkeit in Verbindung mit dem ländlichen Milieu ist:

Die ungeschönte Wahrheit, die Echtheit der Wirklichkeit, der Verismo!

Auf der Bühne sollte alles verschwinden, was bisher als feinsinnig und allegorisch galt. Leoncavallo nannte seine Personen: „als traurige Früchte ihres Hasses, des Schmerzens Stöhnen, als Schrei der Wut und höhnisches Gelächter!“ Die Echtheit der Wirklichkeit sollte die Darstellung des Lebens dokumentieren, frei von jeder verklärten oder stilisierten Literatur. Die „Cavalleria Rusticana“ ist von den Librettisten allerdings dem Theaterstück nachempfunden, das Verga eigens für Eleonora Duse aus seiner Erzähllung angerfertigt hatte, das sich wiederum von deren Authentizität entfernte. Bei Leoncavallo, der den Text selber schrieb, nach einer echten Begebenheit in Kalabrien, bei der sein Vater Richter war, ist es ein „Spiel im Spiel“ wo verschiedenen Beziehungssträhne mit einem Doppelmord enden. Doch weil sich auch Leoncavallo von den Prozessakten entfernte, hat die Geschichte kaum mehr wahre Ähnlichkeiten.

Diese Opernzwillinge dirigiert Christian Thielemann in Salzburg zum ersten Mal

Nach hat Thielemann die „Cavalleria Rusticana“ überhaupt noch nie dirigiert. Es ist deshalb auch gleichzeitig ein doppelte Besonderheit, denn noch nie wurde bei den noblen Osterfestspielen eine im strengen Sinne veristische Oper gegeben – die Tosca von Puccini unter Karajan ist ja keine – und nach Wagner und Strauss, aber auch besonders auch nach Verdi, ist es wirklich ein kühner Schritt gleich diese weltberühmten Einakter zu geben.

Thielemann ist ein Meister der geschlossenen Eintracht und Interpretation

Wenn auch diese beiden Einakter von gewiss grenzenloser Berühmtheit sind, so gelingt es Thielemann schon mit der „Cavalleria“ einen völlig anderen Verismo zugestallten. Er ist als Dirigent nämlich einer der großen Ausnahmen, der in mit einer herrlichen Pracht diese vorimpressionistischen, auch schmachtenden Klänge mit den Singstimmen in eine ungemeine dichte Handlungsdrastik verwandelt, wobei die Sächsische Staatskapelle Dresden mit ihrer durchdringenden Schönheit das Episch – Dramatische in eine dynamisch aufwallende Narration verwandelt. Das Schönste sind natürlich die feinst herausgearbeiteten Details, die sich dem Betrachter als wahre Eintracht des szenischen Musizierens entgegenstellen. Diese Erfahrensgüte steigert sich dann noch weiter bei „Pagliacci“, weil hier auch die Chöre: Sächsischer Staatsopernchor, Salzburger Bachchor und der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor viel gelöster klingen als etwa beim zu hartklingenden „A casa amici,..“ bei der „Cavalleria“ wo die italienischen Konsonanten viel weicher sein müssten.

Für das szenische Musizieren sorgt auch die schlüssige Regie von Philipp Stölzl.

Stölzl hat für die beiden Einakter eine sechsteilige Simultanbühne entworfen, bei der sich die Handlung gleichzeitig in Vor – und Nebengeschichten höchst musikalisch abspielt. Der Unterschied ist im Grunde nur, dass wir bei der „Cavalleria“ durch ein Schwarz – Weiß – Simultan wie im italienischen Neorealismus in Wohnungen und (mit gefilmten) Gesichter hineinsehen, während sich die Simultanstory der blutrünstigen „Pagliacci“ in mehrfarbiger Theaterfantasie abspult. Doch immer sind Bilder wie Akteure Handlung. Das ist bei der „Cavalleria“ mit den weiterzählenden Bildwechseln, oder durch die schnellen Raumwechsel der Personen etwas schwieriger, doch bei „Pagliacci“ greift die Metapher der Gleichzeitigkeit des Hin und Her umso mehr, weil die schauspielenden Akteure zwischen realen und fiktiven Handlung einen Doppelmord/Crash fabrizieren. Stölzl inszeniert simultanschön mit Thielemann, was sich schließlich auch auf Solisten niederschlägt.

Die Sänger sind, auch bei sogenannten Nebenrollen, wirklich sehr gut

Emotionaler wie dieser Verismo/Rausch ist Oper wohl selten, und es kommt selten vor dass ein Tenor gleich den Turiddu (Cavalleria) und den Canio an einem Abend singt. Jonas Kaufmann, der hier mit beiden Rollen debütiert, kann das ausgezeichnet, obwohl es etwas befremdend ist, wenn er das Liebeslied an Lola im Falsett (um Stimme zu sparen?) singt, doch sonst ist er ein spektakulärer Turiddu von versierter Italianitá, die er als Canio mit bis ins Hochdramatische steigert. Ein gewaltiges Stimmpotenzial das leichtflackernd über die Orchesterwogen hinausgeht, hat Luidmyla Monastyrska als sehr gute Santuzza, die Lola der jungen Annalisa Stroppa ist keck und die ebenfalls nicht sehr große Rolle des Alfio sing kein geringerer als Ambrogio Maestri, der hier schon mit Verdis Falstaff glänzte. Außerordentlich gut ist bei „Pagliacci“ dann Dimitris Platanias schon mit dem alles beinhaltenden (Verismo) Eröffnungs/ Monolog, Maria Agresta (Sopran) ist eine wirklich eindringlich und schönphrasierend singende Nedda. Viel Beifall, Jubel und Zustimmung!


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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