Die „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni ist wohl der
berühmteste Einakter der Operngeschichte und mit der weltberühmten
Kurz – Oper „Pagliacci“ (Der Bajazzo) von Ruggiero Leoncavallo
gehört sie zur Gattung des Verismo. Mit jeweils nur 75 Minuten wird
hier ein packendes Musiktheater erzählt, dass nicht mehr aus den
Palästen des Adels oder des Großbürgertums kommt, sondern aus dem
einfachen Volk der arbeitenden Bauern und der vagabundierenden
Komödianten.
Die menschlichen Verhältnisse und ihre sozialen
Schilderungen wurden vom sizilianischen Dichter Giovanni Verga aus
der realen Gegenwart erzählt. Diese Art von Alltagserleben aus Liebe
und Hass, zwischen dem Ehrenhaften und der Treibhaftigkeit in
Verbindung mit dem ländlichen Milieu ist:
Die
ungeschönte Wahrheit, die Echtheit der Wirklichkeit, der Verismo!
Auf der Bühne sollte alles verschwinden, was bisher
als feinsinnig und allegorisch galt. Leoncavallo nannte seine
Personen: „als traurige Früchte ihres Hasses, des Schmerzens
Stöhnen, als Schrei der Wut und höhnisches Gelächter!“ Die Echtheit
der Wirklichkeit sollte die Darstellung des Lebens dokumentieren,
frei von jeder verklärten oder stilisierten Literatur. Die
„Cavalleria Rusticana“ ist von den Librettisten allerdings dem
Theaterstück nachempfunden, das Verga eigens für Eleonora Duse aus
seiner Erzähllung angerfertigt hatte, das sich wiederum von deren
Authentizität entfernte. Bei Leoncavallo, der den Text selber
schrieb, nach einer echten Begebenheit in Kalabrien, bei der sein
Vater Richter war, ist es ein „Spiel im Spiel“ wo verschiedenen
Beziehungssträhne mit einem Doppelmord enden. Doch weil sich auch
Leoncavallo von den Prozessakten entfernte, hat die Geschichte kaum
mehr wahre Ähnlichkeiten.
Diese Opernzwillinge
dirigiert Christian Thielemann in Salzburg zum ersten Mal
Nach hat Thielemann die „Cavalleria Rusticana“ überhaupt noch
nie dirigiert. Es ist deshalb auch gleichzeitig ein doppelte
Besonderheit, denn noch nie wurde bei den noblen Osterfestspielen
eine im strengen Sinne veristische Oper gegeben – die Tosca von
Puccini unter Karajan ist ja keine – und nach Wagner und Strauss,
aber auch besonders auch nach Verdi, ist es wirklich ein kühner
Schritt gleich diese weltberühmten Einakter zu geben.
Thielemann ist ein Meister der geschlossenen Eintracht und
Interpretation
Wenn auch diese beiden Einakter von
gewiss grenzenloser Berühmtheit sind, so gelingt es Thielemann schon
mit der „Cavalleria“ einen völlig anderen Verismo zugestallten. Er
ist als Dirigent nämlich einer der großen Ausnahmen, der in mit
einer herrlichen Pracht diese vorimpressionistischen, auch
schmachtenden Klänge mit den Singstimmen in eine ungemeine dichte
Handlungsdrastik verwandelt, wobei die Sächsische Staatskapelle
Dresden mit ihrer durchdringenden Schönheit das Episch – Dramatische
in eine dynamisch aufwallende Narration verwandelt. Das Schönste
sind natürlich die feinst herausgearbeiteten Details, die sich dem
Betrachter als wahre Eintracht des szenischen Musizierens
entgegenstellen. Diese Erfahrensgüte steigert sich dann noch weiter
bei „Pagliacci“, weil hier auch die Chöre: Sächsischer
Staatsopernchor, Salzburger Bachchor und der Salzburger Festspiele
und Theater Kinderchor viel gelöster klingen als etwa beim zu
hartklingenden „A casa amici,..“ bei der „Cavalleria“ wo die
italienischen Konsonanten viel weicher sein müssten.
Für das szenische Musizieren sorgt auch die schlüssige Regie von
Philipp Stölzl.
Stölzl hat für die beiden Einakter
eine sechsteilige Simultanbühne entworfen, bei der sich die Handlung
gleichzeitig in Vor – und Nebengeschichten höchst musikalisch
abspielt. Der Unterschied ist im Grunde nur, dass wir bei der
„Cavalleria“ durch ein Schwarz – Weiß – Simultan wie im
italienischen Neorealismus in Wohnungen und (mit gefilmten)
Gesichter hineinsehen, während sich die Simultanstory der
blutrünstigen „Pagliacci“ in mehrfarbiger Theaterfantasie abspult.
Doch immer sind Bilder wie Akteure Handlung. Das ist bei der
„Cavalleria“ mit den weiterzählenden Bildwechseln, oder durch die
schnellen Raumwechsel der Personen etwas schwieriger, doch bei
„Pagliacci“ greift die Metapher der Gleichzeitigkeit des Hin und Her
umso mehr, weil die schauspielenden Akteure zwischen realen und
fiktiven Handlung einen Doppelmord/Crash fabrizieren. Stölzl
inszeniert simultanschön mit Thielemann, was sich schließlich auch
auf Solisten niederschlägt.
Die Sänger sind, auch bei
sogenannten Nebenrollen, wirklich sehr gut
Emotionaler wie dieser Verismo/Rausch ist Oper wohl selten, und es
kommt selten vor dass ein Tenor gleich den Turiddu (Cavalleria) und
den Canio an einem Abend singt. Jonas Kaufmann, der hier mit beiden
Rollen debütiert, kann das ausgezeichnet, obwohl es etwas befremdend
ist, wenn er das Liebeslied an Lola im Falsett (um Stimme zu
sparen?) singt, doch sonst ist er ein spektakulärer Turiddu von
versierter Italianitá, die er als Canio mit bis ins Hochdramatische
steigert. Ein gewaltiges Stimmpotenzial das leichtflackernd über die
Orchesterwogen hinausgeht, hat Luidmyla Monastyrska als sehr gute
Santuzza, die Lola der jungen Annalisa Stroppa ist keck und die
ebenfalls nicht sehr große Rolle des Alfio sing kein geringerer als
Ambrogio Maestri, der hier schon mit Verdis Falstaff glänzte.
Außerordentlich gut ist bei „Pagliacci“ dann Dimitris Platanias
schon mit dem alles beinhaltenden (Verismo) Eröffnungs/ Monolog,
Maria Agresta (Sopran) ist eine wirklich eindringlich und
schönphrasierend singende Nedda. Viel Beifall, Jubel und Zustimmung!