Morgenpost, 04. Oktober 2010
 
Ciléa: Adriana Lecouvreur, Berlin, Deutsche Oper, 2. Oktober 2010
Divenkrieg an der Deutschen Oper    
 
Süßes Unschuldslamm oder powernde Furie? Angela Gheorghiu, die rumänische Super-Diva, war diesmal beides. Im edel eleganten Jackie-Kennedy-Look schwebte sie auf die Bühne der Deutschen Oper.

Ihre "Adriana Lecouvreur" konnte fast alles: betörend zart säuseln, wutschäumend angreifen, Giftblitze schleudern. Ihrem hemmungslos geliebten Maurizio schien Adriana nicht nur auf dem Podium verfallen zu sein. Jonas Kaufmann und Angela Gheorghiu, das umjubelte Traumpaar dieser konzertanten Opernaufführung - es flirtete heimlich bis feurig, turtelte unaufhörlich, suchte immer wieder die gegenseitige Berührung. Und wenn Gheorghius Hände nicht an Kaufmanns Anzug nestelten, weil er gerade nicht auf der Bühne war? Dann umschmeichelten ihre Finger stattdessen das kühle Metallgeländer des Dirigierpultes wie eine kostbare Theaterrequisite.

Jonas Kaufmann sonnte sich im Glanz der Gheorghiu. Aber nicht nur. In den Liebesszenen gab er alles, schluchzte herzergreifend in druckvollen Höhen, schmiegte sich leidenschaftlich an Gheorghius Luxussopran. Obwohl seine Stimme in so manch innigen Momenten empfindliche Verbrauchsspuren aufwies - die unaufhörlich knisternde Spannung zwischen der Gheorghiu und Kaufmann machte es mehr als wett.

Die Russin Anna Smirnova trat dem Paar als wahrhaft Furcht einflößende Gegenspielerin entgegen. Smirnovas Fürstin, schwer verwundet von der enttäuschten Liebe zu Maurizio, erklärte Gheorghius Adriana den erbitterten Divenkrieg. Zähnefletschend stürzte sie sich auf ihre Kontrahentin. Maurizio hatte sich ihren erdrückenden Liebesbezeugungen, ihrem Würgegriff der Liebe, bereits entzogen. Was der Fürstin blieb, war bitterböse Rache - Anna Smirnova hob die Fürstin in den Rang einer tragischen, stolzen Heldin.

Zu diesem illustren Weltklasse-Trio gesellte sich der Bariton Markus Brück. Er spendete dem Ensemble, was noch fehlte: lyrische Wärme. Als Regisseur Michonnet verströmte er komödiantischen Charme. Als stiller, sensibler Verehrer Adrianas eroberte er die Herzen des Publikums. Er war der gute Geist der Oper auf dem zerklüfteten Schlachtfeld der Liebe.

Bewundernswert, wie Markus Brück, seit 2001 festes Ensemblemitglied der Deutschen Oper, sich so mühelos in das schwer zu knackende Gespann Gheorghiu-Kaufmann-Smirnova einfügte. Doch die größte Überraschung: Francesco Cileas "Adriana Lecouvreur", in deutschen Breiten kaum gespielt, hatte weit mehr zu bieten als anderthalb Hits. Die Oper strotzte vor musikalischer Potenz. Sie faszinierte durch dicht geknüpfte musikalische Fäden, durch ein leitmotivisch miteinander verzahntes Figurenensemble, durch eine hinterlistige Spiel-im-Spiel-Dramaturgie. Kein Bühnenbild störte - und keine moderne Regieanweisung.

Dem streikkriselnden Orchester der Deutschen Oper hörte man das streikkriselnde Orchester glücklicherweise nur in den ersten Takten an. Das engagierte Sängerensemble wusste es bald zu bezirzen. Der feurige Taktstock von Marco Amiliato tat sein Übriges. Minute für Minute gewann das Orchester an Spiellaune, Schmelz und Schärfe. Nach orkanartigen Applausstürmen zur Pause hin wanderten die Musiker wie auf Wolken. Der schweißströmende Amiliato dirigierte wie im Rausch. Tränenverhangen durchschillerten die Musiker das Vorspiel des letzten Aktes. Angela Gheorghiu zeigte sich von der impressionistischen Magie der Musik tief bewegt. Ihre Lippen gerieten in stumme Bewegung. Sie schmeckte die Musik, balancierte sie bedächtig auf der Zunge. Und schöpfte Kraft für das stimmenaufreibende Finale.

Frenetischer Applaus und Hochrufe brandeten ihr entgegen. Das Publikum feierte das Sängerensemble mit aller Macht. Eine gefühlte Viertelstunde lang prasselten die Hände des Publikums auf die strahlenden Sänger ein. Die Premiere der "Adriana Lecouvreur" als Erdrutschsieg: Etwas Besseres konnten sich Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann in Berlin kaum wünschen. Für sie war es eine rundum gelungene Generalprobe. Denn schon im November stehen beide am Royal Opera House in London erneut als Liebespaar Adriana und Maurizio auf der Bühne - dort dann in Kulisse und von Regieanweisungen umgarnt.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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