Ponchielli: La Gioconda, Salzburger Osterfestspiele, ab 23.3.2024
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Viva Italia, viva Gioconda!
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Anna Netrebko feiert ihre Titelrolle Man kann darüber diskutieren, warum
das bekannteste Werk von Puccini-Lehrer Amilcare Ponchielli nicht häufiger
auf den Spielplänen zu finden ist. Musikalisch hat es durchaus
Ohrwurm-Qualitäten und das nicht nur wegen der allegorischen Balletteinlage,
dem „Tanz der Stunden“ im dritten Akt. Möglicherweise liegt es am großen
Chor- und Orchester-Aufwand, möglicherweise auch an der nicht immer
logischen, brutalen und aus der Zeit gefallenen Handlung (Libretto: Arrigo
Boito unter dem Pseudonym „Tobia Gorrio“). In einer Art
„Traviata“-Geschichte ist die Protagonistin, die Straßensängerin Gioconda,
zwischen der Verpflichtung gegenüber ihrer blinden Mutter und der Liebe zum
Matrosen Enzo hin- und hergerissen, obwohl der ihre Widersacherin Laura
liebt. Gioconda überwindet die eigenen Gefühle, opfert sich selbst und
verhilft Kontrahentin und Geliebtem zur Flucht.
Die Salzburger
Version des britischen Regisseurs Oliver Mears verzichtet auf den Selbstmord
der Protagonistin am Ende, stattdessen ersticht die ihren Peiniger, den
Inquisitor. So richtig „retten“ kann Mears mit dieser Umdeutung das
antiquierte Frauenbild aber nicht, vor allem setzt die Inszenierung keine
weiteren großen Akzente und kommt vor allem in den ersten beiden Akten
statisch und einfallslos daher.
Dass es trotzdem nicht langweilig
wird, darf der großartigen musikalischen Leistung des Ensembles
zugeschrieben werden. Anna Netrebkos Stimme ist prädestiniert für diese
Titelrolle, ihre mittlere und tiefe Lage sind ein Ereignis, das mancher
Altistin zur Ehre gereichen würde. Jonas Kaufmann als Enzo kann bei diesem
Faszinosum nicht ganz mithalten, seine große Arie „Cielo e mar“ bleibt
trotzdem ein Höhepunkt und vor allem im Forte klingt seine Stimme
signifikant wie eh und je. Nur manchmal liegt eine Art „Schleier“ auf der
Stimme, als wisse der Routinier um seine Kräfte und wie man einer solchen
Herausforderung auch im fortgeschrittenen Tenor-Alter bis zum Schluss
gerecht wird. Besonders hörbar wird das in den Duetten mit Eve-Maud Hubeaux
als Laura, die als stimmliche Überraschung des Abends gelten kann. Luca
Salsi ist ein Barnaba mit vokaler Präsenz, man hätte sich lediglich ein
wenig mehr Spielfreude gewünscht. Agnieszka Rehlis singt und spielt die
blinde Mutter eindrucksvoll mit gebotener Tragik, Tareq Nazmi ist ein
stimmlich überzeugender Inquisitionsbeamter, wenngleich die Bedeutung seiner
Figur von der Regie zu wenig beachtet wird.
Die zahlreichen,
wunderschönen Chorpassagen lassen der Coro dell’Accademia Nazionale di Santa
Cecilia und der Bachchor Salzburg in perfekter Artikulation recht häufig aus
dem Off ertönen. Aus musikalischer Sicht „leider“, im Hinblick auf die
ulkige Kostümfundus-Ausstattung des Chors (Annemarie Woods) und den
seltsam-lächerlich choreografierten Tanzeinlagen (Lucy Burge) ist das aber
vielleicht ein Vorteil.
Insgesamt ist dieser Abend einer der Musik.
Antonio Pappano legt mit dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa
Cecilia einen hochemotionalen, schwelgenden Klangteppich unter die krude
Geschichte. Was der Regie nicht durchwegs gelingt, schafft die Musik:
ausufernde Kantilenen, spritzige Piani, pointiertes Zusammenspiel mit den
Solisten – Pappano feiert das Werk seines Landsmannes und „erzählt“ die
Geschichte in einer Art, wie es vielleicht nur Italiener können.
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