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BR Klassik, 24.03.2024
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von Franziska Stürz |
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Ponchielli: La Gioconda, Salzburger Osterfestspiele, ab 23.3.2024
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Netrebkos Salzburg-Comeback |
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Eine krude Handlung und nur teils schlüssig in der Regie. Dafür aber gibt es
in Ponchiellis "La Gioconda" bei den Salzburger Osterfestspielen mit
szenischen Rollendebüts von Jonas Kaufmann und Anna Netrebko Sängerstars und
Festspielglamour.
Diese Oper brauche für jede Hauptpartie eine
außergewöhnlich leistungsfähige Stimme, so Dirigent Antonio Pappano über "La
Gioconda", die 1876 erstmals an der Mailänder Scala aufgeführt wurde. Bei
den Salzburger Osterfestspielen kam das Werk zum ersten Mal auf die Bühne
des großen Festspielhauses, und bei der Premiere am Samstag waren gleich
sechs beachtliche Rollendebüts zu erleben.
ROLLENDEBÜTS VON ANNA
NETREBKO UND JONAS KAUFMANN Allen voran Anna Netrebko als La Gioconda und
Jonas Kaufmann als der von ihr vergeblich geliebte Enzo Grimaldo. Außerdem
deren Widersacher Luca Salsi als böser Spitzel Barnaba und Tareq Nazmi als
fieser Inquisitor. Enzos Geliebte Laura, gesungen von der Mezzosopranistin
Eve-Maud Hubeaux und die polnische Altistin Agnieszka Rehlis als Giocondas
Mutter komplettieren die Riege starker Stimmen, die Ponchielli besonders in
den gewaltigen Arien, aber auch in emotionalen Duetten fordert.
VENEDIG UND BALLETT Schauplatz der Geschichte voller Liebe, Verrat und
Tod ist Venedig, und Regisseur Oliver Mears, Operndirektor am Royal Opera
House in London, zeigt La Serenissima zusammen mit seinem Bühnenbildner
Philipp Fürhofer, wie wir die Stadt heute kennen: von Touristen und von
dicken Kreuzfahrtschiffen belagert. Außerdem erzählt Mears eine getanzte
Vorgeschichte in den instrumentalen Zwischenspielen und auch dem bekannten
Ballett "Tanz der Stunden":
NETREBKOS STIMME PASST PERFEKT La
Gioconda ist ein glückliches Kind eines Künstlerpaares und begabte Tänzerin,
da stirbt ihr Vater. Die Mutter verkauft das junge Mädchen aus Not an
Männer, darunter auch Barnaba, der sie bis heute begehrt und besitzen will.
Die junge Tänzerin hat es weit gebracht, ihre alte Mutter trägt mittlerweile
Pelz und Abendkleid. Anna Netrebko weiß sich im Glitzerkleid überzeugend zu
bewegen und stimmlich passt ihr diese Rolle ebenfalls perfekt: satte Tiefe,
weiche Höhe und schöne Piani. Hier und da ein kleiner Wackler, aber damit
ist sie an diesem Premierenabend nicht alleine. Netrebko steigert sich
kontinuierlich und setzt mit ihrer gewaltigen Schlussarie "Suicidio" ein
gelungenes Ausrufezeichen an ihr Salzburg-Comeback. Bei Jonas Kaufmann legt
sich im Verlauf des langen Opernabends leider eine diffuse Mattigkeit auf
die Stimme, obwohl er seine große Arie "Cielo e Mar" wie auch die Ensembles
intensiv gestaltet und souverän meistert.
GEGEN DIE KRUDE HANDLUNG
HILFT NICHT VIEL Mühelos überzeugt Luca Salsi als Barnaba, der wie Tareq
Nazmi als Inquisitor in Mears' Version von Gioconda ein Messer in den Bauch
gerammt bekommt. Der angekündigte Selbstmord der Titelheldin findet hier
nicht statt. Allerdings hilft das nichts gegen das vollkommen überholte
Frauenbild und die vielen aus der Zeit gefallenen Bezüge im Libretto. Auch
die pantomimische Albtraumsequenz Giocondas beim Psychiater, in der sie
erneut Barnaba begegnet und mit Elektroschocks gequält wird, sowie die
bizarre Schein-Enthauptung der gar nicht wirklich vergifteten Laura auf dem
Bankett des Inquisitors machen die krude Handlung nicht leichter verdaulich.
DIE MUSIK ÜBERZEUGT MEHR ALS DIE REGIE Mears zeigt eine
vergnügungssüchtige, oberflächliche heutige Gesellschaft, verzichtet
andererseits auf die aktualisierte Darstellung von Denunziantentum, oder
Rolle der Inquisition. Vor allem die Gestaltung der großen Massenszenen
hätte entweder mehr Realitätsnähe oder Abstraktion gebraucht, um in dem
aktualisierten Setting originell zu wirken. So tanzen der Chor der Accademia
Nazionale di Santa Cecilia, der Salzburger Bachchor und der Kinderchor meist
Polonaise oder Rampen-Macarena in Sommerkleidern mitten im Carneval, und
erscheinen oder verschwinden in den großen Volksszenen je nach Bedarf
ziemlich beliebig. Ihr differenzierter Klang überzeugt dabei sowohl auf als
auch hinter der Bühne.
SCHWELGEND: PAPPANOS DIRIGAT Antonio
Pappanos Dirigat des Orchesters der Accademia Nazionale di Santa Cecilia
zeichnet sich durch große Hingabe an Ponchiellis weite Bögen und die sich
entspinnenden Cantilenen aus. Herrlich der Klang der tiefen Streicher und
die meist gelungene Balance mit den Soli. Das lädt zum Schwelgen ein,
verliert aber gelegentlich auch etwas an Spannung. Musikalisch ist diese
Gioconda ein durchaus opulenter Hörgenuss, und für den skurrilen Versuch
einer heutigen Sicht auf die Handlung braucht es für die Regie eher
Nachsicht beim Publikum.
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