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von Prof. Dr. Michael Bordt
 
Wagner: Tristan und Isolde, Bayerische Staatsoper ab 29.6.2021
Zum Abschied: Tristan und Isolde
 
Es war die letzte große Premiere des nun aus München scheidenden Intendanten Nikolaus Bachler: Richard Wagners Tristan und Isolde. Gebündelt konnte man viele Licht- und Schattenseiten seiner Ära noch einmal erleben: Eine Regie, die den größten Teil Publikums wenn nicht verärgert, dann doch ratlos zurück lässt und die mehr durch die Texte im Programmheft als durch die Umsetzung auf der Bühne überzeugt. Eine Starbesetzung, durch die sich Bachler der Gunst des Münchner Publikums trotz der Regie gewiss sein konnte. Ein Dirigent, Kirill Petrenko, der das Bayerische Staatsorchester über die Jahre zu einem der weltbesten Klangkörper geformt hat, dem bei aller Akribie und Liebe zum Detail aber das Schwelgerische und Pathetische fremd ist, was im Ring und im Rosenkavalier ebenso problematisch gewesen ist wie nun im Tristan.

Für Anja Harteros als Isolde und Jonas Kaufmann als Tristan, die oft gemeinsam auf der Bühne gestanden und so manche Premiere in den vergangenen Jahren miteinander bestritten hatten, war diese Premiere ein Wagnis. Die Partien liegen an den Grenzen ihrer stimmlichen Möglichkeiten, und das war auch zu hören. Einmal abgesehen davon, dass beiden die Routine der Rolle fehlt und ihnen die Konzentration den Abend über anzumerken gewesen ist: Kaufmanns baritonal gefärbtem Tenor, dem die Pause hörbar gut getan und dessen Stimme frei und nicht mehr so gaumig wie zuletzt noch klang, fehlt die letzte Durchschlagskraft, die diese mörderische Partie benötigt. Manches klingt gestemmt, forciert und deswegen einfach nicht schön gesungen. Anderes wiederum, vor allem die leiseren, innigen Stellen, sind demgegenüber wunderbar gestaltet, und dass Kaufmann nach dem langen zweiten Akt, der ohne Striche gesungen wurde, noch alle Kraftreserven für den dritten Akt hatte, der dann auch zum Höhepunkt der Aufführung wurde, ist bewundernswert. Anja Harteros hat weniger Mühe, mit ihrer großen Stimme über die Orchesterfluten hinwegzusingen. Sie portraitiert Isolde als starke, beinahe souveräne Frau. Ihr flackernde Stimme zu Beginn der Oper wird wohl ihrer Nervosität geschuldet sein, die sie schnell in den Griff bekommt. Am Schluss der Oper, in ihrem großen Monolog, ist ihr die Anstrengung des Abends deutlich anzumerken und es gelingt ihr nicht mehr wie sonst, wunderbare Melodienbögen zu gestalten. Vollends zufrieden machen einen beide nicht. So sind es vor allem Mika Kares, der mit seinem sehr samtigen, runden und wohltönendem Bass König Marke eine Stimme gibt, Wolfgang Koch als vor allem im dritten Akt eindringlicher und sehr präsenter Kurwenal und Okka von der Damerau, die mit ihrem vollen, starken und dennoch geschmeidigem Mezzo Brangäne singt, die musikalisch restlos überzeugen.

Petrenko bleibt für mich eine ‚mixed bag‘. Die Euphorie, die viele ihm gegenüber an den Tag legen, vermag ich nicht zu teilen. Dafür ist auch sein Tristandirigat bei allen Vorzügen zu kühl. Schon die Ouvertüre zum ersten Akt hat mich, anders als das Vorspiel zum dritten, nicht überzeugt. Ihr fehlt die innere Spannung, das Elektrisierende. "Langsam und schmachtend" schreibt Wagner vor, und schmachtend klang es nun wirklich nicht. Bei aller viel gerühmten Transparenz im Klang, seiner Fähigkeit, Passagen geradezu kammermusikalisch zu gestalten, seiner Sorgfalt, mit der er regelmäßig die Holzbläser hervorhebt: Mir fehlte die musikalische Umsetzung des Sehnens, des Schmerzes der Erwartung, der Dringlichkeit. Die Analytik behält bei ihm stets die Oberhand. Für Wagners Tristan finde ich das zu wenig.

Und die Regie? Krzysztof Warlikowski hat eine gute Idee. Er fragt, was Menschen, besonders Tristan, dazu bringt, sein Leben beenden zu wollen und sieht eine Ursache dafür in seiner Vergangenheit, in dem viel zu frühen Tod seines Vaters und seiner Mutter und den Kriegserfahrungen, die sein Leben bestimmt haben. Eine der wichtigsten Requisiten in einem kahlen, unfreundlichen Bühnenbild (wie immer, wenn Warlikowski Regie führt, von Malgorzata Szezesniak) ist dann auch eine Couch, die mit Teppich und Kissen der berühmten Couch Sigmund Freuds nachgestaltet ist. So interessant sich diese Idee anhört – es bleibt eine Setzung, die auf der Bühne nicht eingelöst wird. Die Protagonisten sind weitgehend sich selbst überlassen, ein paar Videos bieten ein wenig Abwechslung. In der großen, langen zweiten Szene des zweiten Aktes, dem Liebesduett, sitzen Kaufmann und Harteros über weite Strecken auf üppigen Ledersesseln und singen einfach. Oft sehr schön. Und einmal strecken sie sich die Hände entgegen. Berührung findet nicht statt. Das passt zwar irgendwie alles, ist aber auch viel zu wenig. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass Warlikowski einfach die Ideen ausgegangen sind und fragt sich, was eigentlich sechs Wochen lang geprobt worden ist.

Der Applaus nach den beiden ersten Akten ist verhalten. Am Schluss dafür umso tosender, wobei der Eindruck bleibt, dass weniger der Abend selbst, als vielmehr das Dreamteam der Ära Bachler gefeiert worden ist. Als Tristan und Isolde werden sie bei der Wiederaufnahme der Oper in der nächsten Spielzeit jedenfalls nicht mehr auf der Bühne stehen. Bei allem Respekt für die beiden großen Künstler, ich glaube, man tut ihnen damit auch einen Gefallen.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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