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hpd, 15. Jul 2021 |
Eva Matthes |
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Wagner: Tristan und Isolde, Bayerische Staatsoper ab 29.6.2021
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Vom Schlachtfeld der Liebe |
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Die Münchner Opernfestspiele haben in dieser Saison mit keinem geringeren
Werk als Richard Wagners "Tristan und Isolde" eröffnet – und das mit einer
absoluten Star-Besetzung in den Titelrollen. Auch ohne monatelange
Pandemie-bedingte Abstinenz ein Event, das den musikalischen Vollrausch
garantiert.
Es ist der Abend der leisen und sanften Töne. Anja
Harteros bleibt mit ihrer Isolde musikalisch nicht einen Deut hinter all den
großen Erwartungen zurück, die ihre Fans an dieses Rollen-Debut gerichtet
haben. Ausgehend von ihrem lyrischen Sopran entfaltet sie die gesamte
Bandbreite dieser Figur von der verletzten verliebten Frau über die
unerbittliche Verhandlerin bis hin zur selbstbestimmt Sterbenden. Durch ein
Höchstmaß an Textverständlichkeit und nahezu schauspielerische
Interpretation der anspruchsvollen wagner'schen Text-Phrasen gelingt ihr ein
unverwechselbares Porträt der irischen Prinzessin.
Jonas Kaufmanns
Tristan-Debut gleicht einer Offenbarung. In eine Partie, deren reines
Durchhalten bis zum Schlusston bereits als Heldentat anerkannt ist, legt er
ein schier unerschöpfliches Maß an Hingabe und Glut. Mit dem letzten Atemzug
im dritten Akt noch einmal "Isolde" zu rufen, ist schon eine Kunst für sich.
Doch bei Kaufmann ergreift selbst an dieser Stelle noch einmal eine Welle
der Leidenschaft den Saal.
Dem Liebespaar zur Seite stehen Okka von
der Damerau, die mit einer beeindruckend powervollen Brangäne stützender
Kraftquell und allwissende Mahnerin zugleich ist, sowie Wolfgang Koch, der
als loyaler Gefährte Tristans einen Kurwenal mit selten gehörten
Piano-Passagen vorstellt.
In Bestform präsentiert das Bayerische
Staatsorchester dieses Werk, welches im Zeitalter seiner Komposition
zunächst als unspielbar gehandelt wurde. Entgegen dem Trend von vor einigen
Monaten, in welchem man bestrebt war, Werke zu kürzen, um in einem
pausenlosen 90-Minuten-Akt die Kontakt- und Ansteckungsmöglichkeiten des
Publikums weitestgehend einzuschränken, ist hier die ungekürzte Partitur zu
hören. Mehr ist in diesem Fall wirklich mehr – nämlich mehr der Erklärung
einer unerklärlichen Liebe im zweiten Akt vor dem großen Duett.
Kirill Petrenko, der bei diesem Groß-Projekt als muskalischer Leiter den
Taktstock schwingt, steht unverkennbar auf der Seite der Liebe. Ungebremst
stürmt er mit dem gesamten Klangkörper durch den Liebestod hinein in die
euphorische Erlösung. Fernab jeder akademisch-verklemmten Bestrebung, auf
dem trockenen Boden der Tatsachen kleben zu bleiben, zeigt er den Mut, sich
der Versuchung hinzugeben und ermöglicht es dem Publikum, abzuheben und so
seelisch berauscht das Opernhaus zu verlassen, wie es das ur-eigentlichste
Ziel dieses Stoffes ist.
Die Inszenierung (Regie: Krzysztof
Warlikowksi) ist hingegen sehr darum bemüht, den Aspekt des Schlachtfeldes
in der Liebe hervorzuheben. Das Bühnenbild (Ausstattung: Małgorzata
Szczęśniak) zeigt einen einheitlichen Un-Ort. Gleich einem Wartesaal mit
kaltem Flair fängt es ein wenig von dem ein, was die Oper ohnehin zur Genüge
zeigt: Langsames Hinarbeiten auf das Unausweichliche. Ganz gleich ob an Bord
eines Schiffes oder im Saal einer Burg – die Figuren bewegen sich etwas
steif durch den Raum. Umrahmt werden sie von Statisterie, die einerseits
Kriegsveteranen, andererseits Krebspatienten auf der Palliativ-Station
darstellen zu wollen scheint. Das Thema ist weniger der Tod als vielmehr das
Sterben als Prozess.
So werden die Liebenden denn auch nicht etwa
beim verbotenen Koitus erwischt, sondern beim gemeinsamen Suizid-Versuch.
Dass es genau das ist, woran sie scheitern, zeigt ihre Unfähigkeit,
gemeinsam zu leben. Selbst ihr letztes Tun tun sie aneinander vorbei. Isolde
sinkt neben Tristan zu Boden – lediglich die Video-Projektion (Kamil Polak)
im Hintergrund zeigt an, was hätte sein können: Ein Paar, das nebeneinander
auf dem Bett liegt und sich verschmitzt zuzwinkert.
Die Message des
Abends: Wahre Liebe ist durch nichts aufzuhalten. Und gute Musik bleibt
gegenüber jeder Regie unkaputtbar.
Durch die Pandemie hat die
Dankbarkeit des Publikums indessen zugenommen. Man ist weicher geworden. Ein
solcher Abend ist kostbar. Länger dauert das Anstehen um Karten, aufwändiger
ist der Theaterbesuch. Wir würden der Kunst alles verzeihen, wenn wir nur
das Orchester in voller Besetzung hören dürfen. Die Buh-Rufe sind aus dem
Saal verschwunden. Etwaige Schwachstellen werden mit höflichem,
wohlwollendem Applaus bedacht. Hoffentlich markiert das nicht das Ende
sondern einen aussichtsreichen Neubeginn…
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