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Online Merker, 15.07.2021 |
Helga Schmöger |
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Wagner: Tristan und Isolde, Bayerische Staatsoper ab 29.6.2021, besuchte Vorstellung 13.7.2021
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MÜNCHEN/ Opernfestspiele/Bayerische Staatsoper: TRISTAN UND ISOLDE |
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Vor 156 Jahren fand die Uraufführung von Richard Wagners Werk im gleichen
Haus vor König Ludwig II. von Bayern, dem Komponisten und 600 geladenen
internationalen Gästen statt. Das gewöhnliche Theatervolk hatte man versucht
hintan zuhalten, denn man fürchtete Protestaktionen gegen den sehr
unbeliebten Dirigenten Hans von Bülow. Im Jahr 2021 konnten jetzt trotz der
Corona-Beschränkungen immerhin 1000 Gäste in dem 2000 Plätze fassenden Haus
die Neuproduktion des Werkes miterleben. Für den Dirigenten Kirill Petrenko
und alle musizierenden Künstlerinnen und Künstler gab es Ovationen.
Groß war die Vorfreude des Publikums auf die Rollendebüts von Jonas Kaufmann
und Anja Harteros sowie auf das Dirigat von Kirill Petrenko, dem bis vor
kurzem noch amtierenden Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper. Die
Regie hatte man dem polnischen Regisseur Krzystof Warlikowsky anvertraut,
der bereits mehrere Male für die Bayerische Staatsoper gearbeitet hat. Er
verlegt die mittelalterliche Geschichte in eine modernere Zeit, nach der
Ausstattung zu schließen so um 1900. Die äußerlich handlungsarme „Story“
stattet er mit zusätzlichen Personen, kleinen Szenen und Videoeinspielungen
aus, die – leider – sehr einprägsam sind, aber mit dem Darzustellenden
nichts zu tun haben und – äußerst bedauerlich – von der Musik ablenken. Ich
hatte den Eindruck, dass ihm einige musikalische Passagen einfach zu lang
erschienen und er sie deshalb meinte illustrieren zu sollen. Die Beziehungen
zwischen den drei Hauptpersonen bleiben dabei etwas unklar, was von der
Regie vielleicht sogar beabsichtigt ist. Das Einheits-Bühnenbild, die
sonstige Bühnenausstattung und die hässlichen, unvorteilhaften Kostüme
stammen von Warlikowskys Ehefrau Malgorzata Szczȩśniak. Nur Frau Harteros
ist stilvoll und elegant kostümiert und mit einigem Abstand auch Herr
Kaufmann.
Musikalisch war der Abend allerdings die reinste Wonne! Das
Rollendebüt von Jonas Kaufmann als Tristan war sehr gelungen. Sein baritonal
timbrierter Tenor passt sehr gut für die Rolle und er klingt hier ausgeruht,
frei und kraftvoll, in den lyrischen Passagen aber zart und höhenschön. Im
gefürchteten dritten Akt muss Kaufmann sich allerdings ein paar Mal etwas
zurücknehmen. Dass ihm die musikalische und inhaltliche Bedeutung seiner
Rollen immer bewusst ist und er sie auch darstellen kann, ist in dieser
Produktion auch wieder zu bewundern, vor allem weil die Regie sich hier
nicht besonders mit ihm befasst zu haben scheint.
Auch Anja Harteros
liefert als Isolde ein höchst gelungenes Rollendebüt ab. Sie ist jederzeit
das mentale Zentrum der Aufführung und man folgt besonders ihrer Gestaltung
des ersten Aufzugs mit Anteilnahme und Spannung – wenn man nicht von
Kinkerlitzchen der Regie abgelenkt wird. Technisch scheint ihr die Partie
keine Schwierigkeiten zu machen. Die Höhen sind sehr sicher und die
lyrischen Passagen klingen zart und wunderschön.
Auch die übrigen
Rollen sind hervorragend besetzt. Okka von der Dameraus Brangäne fasziniert
durch den vollen Klang ihres wunderbaren Mezzos. Wolfgang Koch ist ein
stimmstarker Kurwenal, der mit seinem überzeugenden Spiel die Treue und
Fürsorge gegenüber seinem Herrn Tristan berührend zum Ausdruck bringt. In
den kleineren Rollen bewähren sich wieder einmal Sean Michael Plumb als
Melot, Dean Power als Hirt, Christian Rieger als Steuermann und Manuel
Günther als Seemann.
Merkwürdig wenig beeindruckend ist das
Rollendebüt von Mika Kares als König Marke, obwohl sein Bass in guter
Verfassung zu sein scheint und er eine gute Diktion und eine imponierende
Erscheinung mitbringt. Ob es an der Regie liegt, dass die zerstörerische
Kraft der fatalen Dreiecksgeschichte der drei Hauptpersonen nicht so recht
deutlich wird?
Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester
spielten einen wunderbaren „Tristan“, transparent und substanzreich, mit
feiner, aber packender Dynamik und einfühlsamem Zusammenspiel mit der Bühne.
Aber wo es gefordert ist, rast die Musik in Ekstase dahin. Die musikalische
Wirkung, die diese außerordentlichen Musiker und Musikerinnen unter diesem
Dirigenten erzielen, ist schwer zu beschreiben. Deshalb sei es geraten, sich
selbst ein (Hör-)Bild zu machen, durch die medialen Übertragungen, die in
den nächsten Tagen und Wochen möglich sind:
Live-Stream am 31. Juli
(www.staatsoper.de), am gleichen Tag Open-Air-Übertragung der Vorstellung
auf den Marstall-Platz hinter dem Nationaltheater, später Video-on-demand
über die Seite der Bayerischen Staatsoper.
Der Beifall des Publikums
setzte nach Ende der drei Aufzüge erst nach sekundenlanger Stille zögerlich
ein, sei es aus Ergriffenheit oder aus Unsicherheit über das
außer-musikalische Bühnengeschehen, schwoll dann aber zu Ovationen für die
Sänger und den Dirigenten an. Schön, dass auch Frau Heike Steinbrecher,
Bläserin des Englischhorn-Solos, stellvertretend für ihre Kolleginnen und
Kollegen, auf der Bühne den berechtigten Beifall entgegennehmen durfte.
Leider war es die vorerst letzte Opernpremiere von Kirill Petrenko an der
Bayerischen Staatsoper.
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