Online Merker, 12. Juli 2021
Von Manfred A. Schmid
 
Liederabende, Wien, Theater im Park, 11. Juli, 3. und 8. August 2021
Wie schön ist im Sommer ein Gartenkonzert!
 
Schon im Vorjahr war Jonas Kaufmann im damals noch neuen Theater im Park mit Liedern von Richard Strauss und mit Klassikern aus der Welt der Wiener Operette und des Wienerliedes zu erleben. Ein Jahr später tritt er – mit nahezu identischem Programm und den gleichen Liedern – wieder hier auf und wird erneut stürmisch, macht möchte fast sagen: noch stürmischer als im beim ersten Mal, gefeiert. Hat das Wiener Publikum in dem Münchener Tenor also tatsächlich einen neuen, anerkannten und als solchen akzeptierten Sänger für das geliebte Wienerlied gefunden? Die Begeisterung und Dankbarkeit, mit der jede der Nummern quittiert wird, scheint das jedenfalls nahezulegen. Entscheidet letztendlich nicht doch einzig und allein das Wiener Publikum darüber, ob ein Interpret nun das rare Prädikat „Wienerliedsänger“ verdient oder nicht? Es ist jedenfalls gewiss nicht die offizielle Kritik, die hier das letzte Wort hätte.

Andererseits: Sind die Menschen, die ins ausverkaufte Theater im Park gepilgert sind, wirklich und in erster Linie am Wienerlied interessierte Besucher, die mit ihrem Applaus eine unbestechliche Bewertung abgeben, oder handelt es sich hier eher doch vor allem um ergebene Fans des angehimmelten Stars der Opernwelt, der derzeit offenkundig in der höchsten Blüte seines Könnens steht, zudem auch noch höchst sympathisch ist und fesch ausschaut? Angesichts der zahlreichen Damen, die mit Geburtstagstorte, Blumensträußen, edlen Gebinden und diversen anderen Devotionalien am Ende des offiziellen Programms nach vorne eilen, um sie ihrem Idol zu überreichen und ein paar Worte mit ihm zu tauschen – Kaufmann feierte am Tag zuvor seinen 52-er Geburtstag -, spricht wohl eher für Letzteres. Diese Fans wären auch gekommen, wenn er italienische Volkslieder singen oder Belcanto-Arien schmettern würde.

Dennoch ist festzuhalten: Jonas Kaufmanns Interpretation der Wienerlieder ist gegenüber dem Vorjahr – vor allem aber gegenüber der bereits 2019 bei Sony erschienenen „Wien“-CD – um einiges authentischer und damit „wienerischer“ geworden. Er singt mit Lockerheit, parliert an den passenden Stellen mit Witz und Augenzwinkern. Auch sein Wienerisch klingt nunmehr natürlich leicht und keinesfalls angestrengt. Und zu guter Letzt beherrscht er – nach kleinen Anlaufschwierigkeiten – auch das Pfeifen außerordentlich gut. Kaum zu glauben, dass vor gar nicht langer Zeit über ihn noch kritisch zu lesen war: Kaufmann kontrolliere stattdessen „seine Stimmbänder so stark, dass er häufig stocksteif an der Rampe steht. Schnell hört man: Sein Tenor ist nicht frei, strömt nicht, sondern er rettet sich manchmal in tonlosen Sprechgesang“. Davon kann wirklich keine Rede mehr sein.

Wollte man den vor wenigen Wochen mit einem ähnlichen Programm ebenfalls im Theater im Park auftretenden Bassisten Günther Groissböck mit dem Tenor Jonas Kaufmann vergleichen, könnte man mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Annäherungen des Mostviertlers und des Bayern an das Wienerische nicht allzu sehr unterscheiden. Beide sind auf dem besten Weg dazu, und es gibt noch Potenzial nach oben. Jedenfalls ist es eine helle Freude, Kaufmanns einfühlsame und beschwingt-pfiffige Gestaltung von Hermann Leopoldis „In einem kleinen Café in Hernals“, „Im Prater blühn wieder die Bäume“ von Robert Stolz, „Draußen in Sievering“ von Johann Strauß oder Ralph Benatzkys Evergreen „Ich muss wieder einmal in Grinzing sein!“ mitzuerleben. Da geht einem das Herz auf und man spürt – in Abwandlung des Titels eines ebenfalls dargebotenen Liedes von Hermann Leopoldi: Wie schön ist im Sommer ein Gartenkonzert! Das Theater im Park aber, der ideale Schauplatz dieses Gartenkonzerts, ist aus dem Wiener Kulturleben nach nur einem Jahr nicht mehr wegzudenken.

Das offizielle Programm wird von einem Operetten-Block aus der Ära der Silbernen Wiener Operette beschlossen. Da ist Jonas Kaufmann mit seinem abgedunkelten, samtig-baritonalen Tenor ganz in seinem Element. Kein Wunder, hat er doch bereits knapp vor Studienabschluss in Regensburg den Caramello in Eine Nacht in Venedig gesungen und als Anfänger in Saarbrücken den Alfred in der Fledermaus. Das sind prägende Erfahrungen, die er nun – am Höhepunkt seines Könnens – perfekt in seine Gestaltung von Lehars „Dein ist mein ganzes Herz“ einfließen lassen kann.

Ein beachtlicher Teil des Publikums mag den ersten Programmteil – zwölf fein ausgesuchte und stimmig dargebotene Lieder von Richard Strauss, in denen die Liebe und die vielfältigen Reize der Frauen besungen werden – wohl als eine Art Bewährungsprobe à la per aspera ad astra empfunden haben. Für Kenner aber gewiss eine beglückende Angelegenheit, die dankbar angenommen wird, und für Helmut Deutsch, Kaufmanns bewährten und großartigen Partner am Klavier, die Gelegenheit, seine Meisterschaft als einfühlsamer Liedgestalter auszuspielen. Sein seelenvolles Vor- und Nachspiel zu „Morgen“ eröffnet dem Zuhörer Einblick in himmlische Sphären. Dass Kaufmann Wert darauflegt, den Besuchern auch diesen wichtigen Aspekt seines Repertoires vorzustellen, ist begrüßenswert und hat wohl auch didaktische Funktion. Dafür belohnt er alle am Ende mit ungewöhnlich vielen Zugaben, darunter „Wien, Wien, nur du allein“ und „Sag beim Abschied leise Servus“.







 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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