Donaukurier, 14.05.2021
Jesko Schulze-Reimpell
 
Wagner: Die Walküre, 1. Akt, Bayerische Staatsoper, 13. Mai 2021
Endlich vor Publikum
"Walküre" mit Jonas Kaufmann im Münchner Nationaltheater

München - Manchmal ist Applaus fast schon eine politische Demonstration.


Als die Bayerische Staatsoper in München nach über einem halben Jahr am Himmelfahrtstag erstmals wieder ihre Tore öffnete und ein Konzert vor echtem Publikum im Saal gab, da sprangen viele der rund 700 Besucher bereits begeistert aus den Sitzen und spendeten Beifall und Bravos bevor überhaupt der erste Ton erklang. Die Euphorie, dass die schier endlose Phase der künstlerischen Zwangsenthaltsamkeit nun enden würde, war mit Händen zu greifen.
Sogar Intendant Nikolaus Bachler trat vor das Publikum sprach von einem "fast historischen Moment" - der Wiedereröffnung des Hauses nach der sich alle über ein Jahr lang gesehnt hätten. Die Auswahl des Werkes, erklärt er, sei keineswegs beliebig gewesen. Schließlich sei die "Walküre", der erste Tag der Trilogie "Der Ring des Nibelungen" von Richard Wagner, ein Werk, das seit seiner Uraufführung in München im Jahr 1870 quasi zur DNA des Orchesters gehöre.

Tatsächlich bot die Staatsoper an diesem Abend die beste Besetzung auf, die derzeit weltweit überhaupt denkbar ist. Für die konzertante Aufführung des erstes Aktes der Oper standen Jonas Kaufmann (Siegmund), Lise Davidsen (Sieglinde) und Georg Zeppenfeld (Hunding) auf der Bühne, das Bayerische Staatsorchester leitete Asher Fisch. Gerade der israelische Dirigent agierte bereits in den stürmischen ersten Takten der Oper derart agil, wild und spannungsgeladen, dass man sich die Augen rieb und spürte, was man seit Monaten vermisst hatte: Spielfreude, die auf das Publikum ausgerichtet ist, die unmittelbar überspringt. Der herbe, wuchtige Zugriff tat dem Werk gut. Gerade auch weil die Oper sonst eher rezitativisch und äußerst verhalten startet. Die berühmten "Ring"-Motive treten nur sparsam hervor, meist ist dieses typische Wagner-Parlando zu hören, der Text ist wichtiger als die Musik, das Orchester begleitet zurückhaltend mit wenigen Akkorden.

Aber die Situation ist eigentlich zum Bersten gespannt, eben zutiefst opernhaft. Hunding, der Hausherr bietet dem flüchtenden, rätselhaften Gast Siegmund Unterkunft, obwohl sich immer mehr herausstellt, dass sie eigentlich seit langem Feinde sind; gleichzeitig entfaltet sich von Takt zu Takt mehr eine erotische Spannung zwischen Hundings Frau Sieglinde und Siegmund, die entsprechend auch die Musik immer stärker durchglüht. Die drei Sänger singen fantastisch und wirken doch fast wie ausgebremst, weil sie nicht wirklich spielen dürfen. Fast ratlos strahlt Lise Davidsen Siegmund-Darsteller Jonas Kaufmann über den Dirigenten hinweg verführerisch an, während dieser etwas betreten reagiert. Überhaupt agierte Davidsen als Sieglinde an diesem Abend einfach überwältigend, egal ob bei den zarten betörenden Tönen am Anfang oder dem orkanhaften Fortissimo am Ende des Aktes - eine Naturgewalt.

Lyrische Tön waren auch Jonas Kaufmann Stärke, er ist ein eher untypischer Wagner-Tenor, der ohnehin eher durch kluge Dispositionen seiner Kräfte, durch Interpretationsgeschick als durch pure vokale Power überzeugt. Zeppenfeld dagegen ist ein furchteinflößender Hunding mit abgrundtiefer Schwärze in der Bassstimme.

Keine Frage, die Wiedereröffnung der Staatsoper geriet zur musikalischen Sternstunde, die das Publikum nach einer Stunde zu abermaligem donnernden Beifall trieb. Und die drei wunderbaren Sänger? Sie bedankten sich mit drei Liedern als Zugabe.

So wunderbar der erste Abend vor Publikum in diesem Jahr geriet - ganz auf die Online-Präsenz will die Staatsoper nicht verzichten. Denn wie üblich in den vergangenen Monaten ist die Produktion ab diesem Samstag auch im Internet auf staatsoper. tv abrufbar.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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