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Kleine Zeitung, 19. September 2020 |
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Sommernachtskonzert, Wien, Schönbrunn, 18. September 2020
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Sommernachtskonzert Schönbrunn heuer vor allem ein TV-Event |
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Vier Monate später als geplant, mit einem Bruchteil des üblichen
Livepublikums, aber mit einem kräftigen musikalischen Lebens- und
Liebeszeichen hat am Freitagabend das Sommernachtskonzert Schönbrunn der
Wiener Philharmoniker stattgefunden. Unter Dirigent Valery Gergiev
erstreckte sich das Programm des TV-Events vom "Rosenkavalier" bis "Doktor
Schiwago" und von der großen Oper zum Wienerlied.
Ein Fernseh-Event
war das Sommernachtskonzert schon immer. Die Bilder des Open-Air-Konzerts
vor der sehnsuchtsvoll inszenierten Kulisse zwischen Schloss und Gloriette
flimmerten stets als sommerliches Pendant zum Neujahr als musikalisch auf
Hochglanz polierter Wien-Imagefilm über die internationalen Bildschirme. In
Wien selbst hat das sonst im Frühsommer abgehaltene Ereignis aber auch eine
soziale Dimension, versammeln sich doch jedes Jahr an die 100.000
Wienerinnen und Wiener bei kostenlosem Eintritt zwischen den perfekt
getrimmten Sträuchern und lauschen den philharmonischen Klängen unter dem
bunt erleuchteten Abendhimmel in andächtiger oder auch mal ausgelassener
Stimmung. Im Jahr der Pandemie freilich undenkbar. Stattdessen wurde der
Park gesperrt, 1.250 Besucher mit festgelegten Plätzen und in lockerer
Sitzordnung zugelassen, alle anderen an die Fernsehschirme verwiesen.
Doch wo sich andere Veranstalter von Corona unfreiwillig ins
Konzertstreaming gezwungen sahen und dabei mitunter ungeschickt oder
fantasielos Neuland betreten mussten, ist die perfekte TV-Inszenierung des
ORF im Schlosspark bereits Routine: die halsbrecherischen Kameraflüge über
das Gelände, die wirkungsvolle Feuerschein-Beleuchtung der Brunnen, die
jahrelang trainierte Bildregie (Henning Kasten) bei den Nahaufnahmen der
Instrumentalisten. Wien-Impressionen aus Schönbrunn und anderswo,
geistreiche Moderation - heuer erstmals von Teresa Vogl - und eine profunde
Soundqualität machen die Corona-Edition des Traditionskonzerts komplett. Wer
heuer eine geplante Wien-Reise absagen musste, durfte sich filmisch und
musikalisch trösten - oder erst recht wehmütig werden.
Trotz
deutscher Reisewarnung nicht ferngeblieben ist jedenfalls Jonas Kaufmann,
der mit seinem zu Jahresbeginn vorgelegten "Mein Wien"-Album gleichsam eine
Visitenkarte für seinen Auftritt beim Sommernachtskonzert abgeliefert hat.
Gleich zwei Nummern davon, "Wenn es Abend wird" aus Kalmans "Gräfin Mariza"
sowie "Wien, Wien nur du allein" von Rudolf Sieczyński haben es ins
Programm geschafft, daneben absolvierte der deutsche Supertenor höchst
geschliffen die Arienbrummer "Pourqoui me reveiller" aus Massenets "Werther"
und "Nessun dorma" aus Puccinis "Turandot". Tatsächlich wird man neben
Kaufmann, der aktuell an der Staatsoper den "Don Carlos" probt (Premiere ist
am 27. 9.), kaum einen Sänger finden, der diese Repertoirekombination in
einer solchen Qualität im Köcher hat.
Wenn virusbedingt schon sonst
viel Unsicherheit herrschte, so setzte man zumindest mit dem Konzertmotto
"Liebe" auf eine sichere Karte und konnte sich unter diesem weiten Dach bis
zu Aram Khatschaturjan oder Maurice Jarre strecken, und sie zugleich mit
Richard Wagner, Emmerich Kalman oder Jacques Offenbach konfrontieren. Mehr
noch als die Liebesgeschichten, die die Stücke erzählen, ist dieses von der
Pandemie zugleich entstellte und in seinem Wesen erleuchtete
Sommernachtskonzert aber selbst ein Liebesbeweis. Valery Gergievs elegisches
Minenspiel vor der Kulisse der Gloriette, der weiche Mischklang der
philharmonischen Streicher und Bläser, die ehernen Statuen, die aus allen
Winkeln des Parks Richtung Bühne blicken: Sie versichern hinaus in die Welt,
dass Corona Musik und Kultur, so fragil sie in den vergangenen Monaten
gewirkt haben mögen, letztlich nichts anhaben kann.
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