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Der Tagesspiegel, 17.01.2020 |
UDO BADELT |
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Konzert, "Mein Wien", Berlin, 15. Januar 2020
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Mein lieber Prater |
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In der Philharmonie versucht sich Jonas Kaufmann an einem Wiener Abend. Allerdings verschafft jedes Ottakringer Bier ein intensiveres Gefühl als diese Aufführung.
Obwohl Wien selbst alles tut, um sich marketingtechnisch als die Stadt
Mozarts, Beethovens und Schuberts zu präsentieren, ist deren Musik doch viel
zu universell, um wirklich Rückschlüsse auf den Lokalgeist zuzulassen.
Dem kommt man eher auf die Spur in den Operetten von Johann Strauß Sohn
und Emmerich Kálmán oder in den Liedern von Robert Stolz. Sie hat sich Jonas
Kaufmann auserkoren, um auf dem 2019 erschienenen Album „Mein Wien“ seine
besondere Beziehung zu Österreichs Metropole zu dokumentieren.
Auf
der CD spielen die Wiener Philharmoniker – für die Tournee, die ihn jetzt in
die Philharmonie geführt hat, muss das günstigere Ensemble Prague
Philharmonia reichen. Unter Leitung von Jochen Rieder spielen sich die
Tschechen nach einer recht hemdsärmeligen „Nacht in Venedig“-Ouvertüre frei,
gewinnen in der „Tik-Tak“-Polka von Strauß schnell an Geschmeidigkeit und
Witz.
Die Gefahr, dass Kaufmanns Bayreuth-gestählter Operntenor diese
viel zarter gelagerten Arien zerschmettern könnte, besteht nicht. Dazu wirkt
der Münchner an diesem Abend – warum auch immer – viel zu müde und
abgekämpft.
Ja, manches gelingt: In „Sei mir gegrüßt, du holdes
Venezia“ versteht er die Dynamik auch in der Höhe noch sanft zu variieren.
Auch der Wiener Dialekt scheint ihm leicht von den Lippen zu fließen.
Das Leichte wirkt durchgängig schwer Wenn „Draußen in Sievering“ der
Flieder schon blüht, schleicht sich liebliche Homogenität in die Stimme.
Doch in der Mittellage wird sie rasch konturlos, und generell wirkt das
Leichte bei Kaufmann an diesem Abend fast durchgängig schwer, bemüht,
ertrotzt.
Rettung naht in Gestalt seiner Sparringspartnerin, der
Sopranistin Rachel Willis-Szrensen. Fantastisch die resolute
„Fledermaus“-Rosalinde der Amerikanerin; über das Milva-Rot in ihrer Stimme
legt sich in der Höhe ein zarter, silberdurchwirkter Schimmer.
Man
verlässt die Philharmonie fremdelnd Auch im Duett mit Kaufmann, etwa bei
„Lippen schweigen“ aus Lehárs „Lustiger Witwe“, ist sie die deutlich
Frischere, Präsentere. Kaufmann reißt sich zusammen, findet in zwei Liedern
von Robert Stolz noch mal zu sich, wenn auch mit Höhenproblemen.
In
fast schon reaktionärer Schönheit, die Richard Strauss als Revolutionär
erscheinen lässt, hat Stolz mit Stücken wie „Im Prater blüh’n wieder die
Bäume“ die tonalen Stränge des 19. Jahrhunderts noch mal groß symphonisch
ausgebaut.
Doch es hilft nichts: Man verlässt die Philharmonie
fremdelnd. Jedes Ottakringer Bier verschafft ein intensiveres Wien-Gefühl
als dieser Abend.
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