Badische Zeitung, 02. Februar 2020
Von Alexander Dick
 
Konzert, "Mein Wien", Baden-Baden, 1. Februar 2020
Herzenssache Wien – Jonas Kaufmanns Konzert in Baden-Baden
 
Mit seinem Album "Wien" stürmte Startenor Jonas Kaufmann in die Klassik-Charts. Nun gastierte er mit dem Programm "Mein Wien" zum Abschluss seiner Tournee in Baden-Baden.
 
Ein Tenor, der in den größten Opernhäusern der Welt zu Hause ist und Mikrophone? Jonas Kaufmann sucht Irritationen vorzubeugen und erklärt es den rund 2500 – ausverkauft –, die ihn im Festspielhaus Baden-Baden erleben wollen: Ein Teil seines Programms seien Schlager, Wiener Schlager. Und die bedürften einer besonderen Interpretation…

Tatsächlich hat der Weltstar recht. Die Schlager, die in der Hauptsache Wiener Lieder sind, darf man nicht wie eine Verdi’scheCabaletta herausschmettern. Sie brauchen die intime Atmosphäre, wie in einer Gartenlaube beim Heurigen. Oder wie in Hermann Leopoldis herrlich melancholischem Loblied auf das "Kleine Café in Hernals", das Kaufmann als erste Zugabe singt. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass in dem Tenor aus München musikalisches Wiener Blut fließt, dann wäre das der ultimative gewesen: Kaufmann zelebriert den langsamen Walzer im waschechten Wiener Idiom, in einer Mischung aus Sprechgesang, melancholischer Kopfstimme, sanftem An- und Abschwellen der Töne und wechselt erst an zentralen musikalischen Kumulationspunkten in die Bruststimme.

So macht er es auch mit den anderen Hymnen auf die Wienerstadt, die so schnell zum k.u.k. Zuckerbäckerschmäh verkommen können. Bei Kaufmann sind Lieder wie "Wien, Wien nur du allein" oder im "Im Prater blüh’n wieder die Bäume" aufrichtige und intime Liebeserklärungen an ein Genre – er beherrscht die Kunst der musikalischen Mehlspeise. Auch in Sachen Operette. Denn natürlich ist ein Eisenstein aus der "Fledermaus" etwas anderes als die Tenorpartie des Mister X aus Emmerich Kálmáns gut 50 Jahre jüngeren "Zirkusprinzessin". Auch hier stimmen die Nuancen, Kaufmanns sehr dunkel baritonal gefärbter Tenor ist ein wunderbar flexibles Instrument. Das in Rachel Willis-Sørensens füllig lyrisch-dramatischem Sopran eine ebenbürtige Partnerin findet. Man muss schon bis zu einer Gundula Janowitz zurückgehen, um eine ähnlich brillante Interpretation des "Fledermaus"-Csárdás’ zu finden. Jochen Rieder und die PraguePhilharmonia verstehen sich aufs Übrige – Rubati, klangliche Dezenz. Dass ein Marsch wie Robert Stolz’ "Gruß aus Wien" bei ihnen besonders gut klingt, kein Wunder: Auf erstklassiges Blech und zurückhaltendes Schlagwerk versteht sich ein tschechisches Orchester wie kaum ein anderes.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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