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Kurier, 27.11.19 |
von Gert Korentschnig |
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Korngold: Die tote Stadt, Bayerische Staatsoper, ab 18. November 2019
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"Die tote Stadt" in München: Musikalische Sternstunden |
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Jonas Kaufmann, Marlis Petersen und Kirill Petrenko machen die Neuproduktion der Korngold-Oper zum Triumph.
iGestatten Sie, jenseits aller Musikkritiken immanenten Subjektivität,
eine radikal subjektive Vorbemerkung: Die Produktion von Erich Wolfgang
Korngolds Oper „Die tote Stadt“ an der Bayerischen Staatsoper München ist
musikalisch die beste Aufführung, die der Autor dieser Zeilen seit langem
gehört hat.
Das liegt am Protagonisten, Jonas Kaufmann in der Rolle
des trauernden Paul, der über den Tod seiner geliebten Marie nicht
hinwegkommen kann. Das liegt an seiner Bühnenpartnerin, Marlis Petersen als
Marietta, die einmal mehr als fabelhafte Singschauspielerin brilliert.
Und das liegt ganz zentral an Kirill Petrenko, dem Generalmusikdirektor
der Münchener Oper, der das Werk des bei der Uraufführung 1920 erst 23 Jahre
alten Korngold als das ausweist, was es ist: ein mehr als dreistündiges
Meisterstück.
Ein musikalisches Genie
Natürlich war Korngold
kein Revolutionär wie Schönberg, Alban Berg oder andere Zeitgenossen. Aber
man macht es sich zu leicht, wenn man ihn als Konservativen, als übrig
gebliebenen Romantiker, als Zu-Spät-Geborenen darstellt. Korngold ist ein
Melodiker ersten Ranges, der auch der Gesangsstimme zu ihrem Recht verhilft,
er ist ein fabelhafter Instrumentierer und dramatischer Erzähler. Und es ist
nur als Kompliment zu verstehen, dass seine Genialität auch in Hollywood
nach dem Fachwechsel zum Film so sehr geschätzt wurde (ein großer Verlust
für das europäische Kulturschaffen, wie bei so vielen Vertriebenen).
In der „Toten Stadt“ trifft Wiener Walzer auf Wagner, Strawinsky auf
Strauss, Puccini auf Weill. Und all das ist nie kopistisch, sondern höchst
originär, sehr originell, viel Späteres vorwegnehmend.
Warum diese
Zusammenfassung seines Stils? Weil all das in den Händen von Petrenko mit
seinem famosen Orchester hörbar wird. Petrenkos Gestaltung ist detailliert,
wie sie nur sein kann, da wurde jeder Takt analysiert, ohne dabei den großen
Bogen zu zerstören. Die Farbenpracht ist exemplarisch, die dynamische
Balance perfekt, jedes Tempo schlüssig.
Man kommt, obwohl es ganz
schön viel zum Schauen gibt, aus dem begeisterten Hören nicht heraus. Und
erahnt wohl nur im Ansatz, wie viel Studium und Probenarbeit dahinter
steckt.
Dass es dazu noch mit Jonas Kaufmann den größten Tenor
unserer Zeit mit einer neuen Partie zu erleben gibt, schafft ein
glücksvolles Opernerlebnis. „Glück, das mir verblieb“, heißt es im
sentimentalen Lied, dem großen Hit dieser Oper. Hier trifft es zu.
Der Paul, den Kaufmann sich erarbeitet hat, braucht einen wagnerhaften
Heldentenor, mit Wortdeutlichkeit, durchaus Italianità, Schmelz, Sentiment,
Puccini-Kantilenen und Attacken. Also die eierlegende Wollmilchsau. Kaufmann
passt perfekt in diese Rolle und gestaltet sie so, dass man sich nicht
vorstellen kann, dass irgendjemand in der Vergangenheit oder Zukunft das
besser machen hätte können (könnte).
Auch Marlis Petersen ist eine
ideale Besetzung für die Pauls verstorbener Frau zum Verwechseln ähnlich
sehende Marietta, die ihm den Kopf verdreht. Sie turnt körperlich und
stimmlich bezaubernd durch diese Rolle. Andrzej Filonczyk wird in die Partie
des Frank/Fritz wohl noch hineinwachsen.
Die Inszenierung stammt
ursprünglich aus Basel und von Simon Stone. Sie spielt in der Gegenwart, in
einem Reihenhaus mit Räumen, die sich raffiniert verschieben lassen und ihr
Eigenleben entwickeln. Stones Arbeit, in München von Maria-Magdalena
Kwaschik einstudiert, ist in ihrem Timing sehr musikalisch und ergibt eine
heutige Betrachtung von Trauerarbeit und Psychosen.
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