Mittelbayerische, 20. Juli 2019
VON ANDREAS MEIXNER
 
Konzert, Regensburg, 18. Juli 2019
Ein Münchner Weltstar in Bestform
 
Startenor Jonas Kaufmann begeistert zusammen mit der Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili das Festivalpublikum.
 
Vor wenigen Wochen feierte Jonas Kaufmann seinen 50. Geburtstag. Die ersten grauen Strähnen stehen ihm gut, sind offensichtliche Attribute für Erfahrung und Gelassenheit. Die braucht er auch, um im Olymp der absoluten Weltklasse bestehen zu können. Mehr noch, wenn er Opernaufführungen oder Konzerte wie vor wenigen Tagen indisponiert absagen muss, weil seine Stimme empfindsam ist und hochsensibel auf äußere und innere Einflüsse reagiert. Mit festem, entschlossenem Schritt betritt er die Bühne, erklärt sich gegenüber dem Publikum der Schlossfestspiele als absolut fit für den Abend und schmeißt sich als Beweis ebenso fest entschlossen in die Arie des Entdeckers Vasco da Gama aus "L'Africaine" von Giacomo Meyerbeer.

Ganz dem französischen Musiktheater des 19. Jahrhunderts ist der Auftritt in Regensburg gewidmet, und das Programm hält neben vielem Bekannten auch musikalische Kleinodien bereit, die den Repertoirewert des Konzerts über die Gefälligkeit eines Gala-Abends hinausheben. Kaufmann geht von Anfang an ins Ganze, im Forte seiner Stimme entwickelt er jenen Schmelz, für den er weltweit gefeiert wird. In der Falsett-Lage und im Piano mag man leichte Eintrübungen erahnen, fragiler wirkt dann die Stimme. Aber es bleibt nur eine Nuance, an der man gerade mal rätseln kann, dass er nicht ganz aus dem Vollen schöpft.

Französisches Repertoire
Umso mehr werden im zweiten Konzertteil die Arie des Faust aus "La damnation de Faust" von Hector Berlioz sowie die Arie des Eleazar aus Halevys "La Juive" zu mitreißenden und bewegenden Höhepunkten sängerischer Gestaltungskraft. Auf der einen Seite als Faust in Gretchens Zimmer mit den eindrücklichen Worten: "Heitre, selge Ruhe zieht leise mit ins wogende Herz", dann später als Eleazar, der lieber dem Tod entgegen sieht als seinem jüdischen Glauben gegenüber dem Kardinal Brogny abzuschwören. Mit hohem Risiko geht er an die Grenzen und zerfließt völlig in der Dramaturgie der Rollen.

Wer einem solchem Sänger unterstellt, einen Gala-Abend mal schnell aus dem Ärmel zu schütteln, wird hier eines Besseren belehrt. Gesangsroutine sieht anders aus. Und auch bei den Hofer Symphonikern ist von Routineeinsatz keine Rede. Vor drei Jahren feierten sie ihr 70-jähriges Bestehen, schufen sich mit einer orchestereigenen Musikschule eine frühmusikalische
Talentschmiede. 19 Nationen bilden derzeit die über 120-köpfige Besetzung. Überhaupt scheint sich das Orchester über die Jahre auch als "orchestra in residence" der Schlossfestspiele weiterzuentwickeln, wirkt klanglich kompakt und aus einem Guss. Jochen Rieder spornt mit seinem Dirigat die Musiker an, nicht nur dem Star des Abends den meisten Applaus zu überlassen, und erzielt damit mitreißende und stimmige Interpretationen der Ouvertüre zu "Si jétais roi" von Adolphe Adame, dem Rákoczy-Marsch von Berlioz, und Jacques Offenbachs Ouvertüre zu "die Rheinnixen".

Zwei Sängerstars auf der Bühne
Genau genommen hatte der Abend aber zwei Sängerstars. Denn Jonas Kaufmann hat die georgische Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili als Partnerin eingeladen. Ihre Karriere begann 2009 spektakulär, als Daniel Barenboim sie auswählte, in der Eröffnung der Scala-Saison die Carmen neben Jonas Kaufmann zu übernehmen. Seither ist sie gerade in dieser Rolle auf den großen Bühnen der Welt zuhause und präsentiert sich damit dem Regensburger Publikum, das angesichts ihrer enormen Stimmgewalt und Bühnenpräsenz nicht mehr aus dem Staunen herauskommt und völlig in den Bann gezogen wird.

Don José geschieht das Gleiche, erkennt aber zu spät, dass seine Liebe zu ihr vergebens ist. Während man aus der Ferne den Jubel über Escamillos Sieg hört, ersticht er voll Eifersucht die Angebetete. Kaufmann und Rachvelishvili spielen und singen die Szene so intensiv, dass man vergisst, eigentlich in einem Gala-Abend zu sitzen.

Das Publikum ist verzückt, applaudiert begeistert dem Startenor, der sichtlich alles gegeben hat, was er konnte. Und das war selbst mit leichtem Handicap absolute Weltklasse an Stimmschönheit und Gestaltungsvermögen. Anita Rachvelishvili als Gast einzuladen, komplettierte den Abend zu einem dramaturgisch dichten und stimmigen Einheit, weit weg von einer Nummernrevue durch verschiedene Opern hindurch. Deshalb konnte die Gala wahrscheinlich zu dem werden, als was sie angekündigt war: Der Höhepunkt der Schlossfestspiele 2019.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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