Die Presse, 23. März 2019
VON JOSEF SCHMITT
 
Verdi: La forza del destino, London, ab 21. März 2019
 
Das Schicksal vereint Netrebko und Kaufmann
 
Oper in London. Die Primadonna und der Tenor unserer Tage treffen in Covent Garden aufeinander. Musikchef Pappano arrangierte ein Gipfeltreffen im Rahmen von Verdis „La forza del destino". Es ist bald auch in heimischen Kinos zu sehen.
 
Englische Diplomatie? Was die Musiktheater-Politik betrifft, punktet London derzeit gewaltig. Die Royal Opera ist Schauplatz eines Vokal-Gipfeltreffens. Musikchef Antonio Pappano vermochte die skeptische Anna Netrebko zum Bühnendebüt als Leonora in Verdis „Macht des Schicksals" zu überreden. Und das an der Seite des meistgesuchten Tenors unserer Zeit. Die Opernwelt hielt am Donnerstagabend also den Atem an.

Wie die Netrebko selbst, die zu Beginn noch ein wenig nervös wirkte, aber bereits die Romanze im ersten Bild kontrolliert und mit jenem leicht gutturalen Glanz sang, der ihre Stimme so unverwechselbar macht. Sanftes Vibrato ließ in „Madre, pietosa Vergine" dann die Angst mitschwingen, nicht ins rettende Kloster aufgenommen zu werden. Im Duett mit Pater Guardian phrasierte die Netrebko dann makellos, band die nötigen Fortepassagen wie aus einem Guss in den melodischen Verlauf ein.

Schwebende Diventöne
Im Gegenzug schienen die gefürchteten Pianostellen dieser Partie geradezu zu schweben, ohne an Körper zu verlieren. Es war wohl der schon erwähnten Debüt-Nervosität zuzuschreiben, oder zu großer Ehrfurcht vor einer „Arien-Ikone", dass derselbe Effekt dann im entscheidenden Moment von „Pace mio Dio" nicht so souverän gelang.

Der Gesamtleistung tat das keinen Abbruch. Zumal es Pappano gelungen war, der Primadonna Jonas Kaufmann als Alvaro an die Seite zu gesellen, der in dieser Paraderolle der italienischen dramatischen Tenöre seine Stellung als „Primo uomo" unserer Tage behauptete. Kaufmann weiß seinen an Wagner geschulten, dennoch Lvrismen nicht scheuenden Tenor mit voller Risikobereitschaft einzusetzen. Dramatische Effekte wie behutsame Lyrismen scheint er selbst in vollen Zügen zu genießen. Die große Arie und das von Todeserwartung überschattete erste Duett mit Don Carlo („Solenne in quest' ora") wurden zum Lehrbeispiel für die Verschmelzung dramatischen Tenormetalls mit ätherischer Pianokultur.

In Ludovic Tézier - dritter Jackpot in Pappanos Besetzungsgewinnspiel - fand Kaufmann den ebenbürtigen Gegenspieler, einen Don Carlo, der rollengerecht entweder autoritär arrogant oder autokratisch aufbrausend, aber in den Momenten der Sorge um den schwer verwundeten Freund auch behutsam, beinah zärtlich agiert. Die Cabaletta nach seiner Arie im dritten Akt („Egli è salvo! Gioia immensa") wird regelrecht zum vokalen Freudentaumel über die Gelegenheit, endlich Rache am vermeintlichen Mörder seines Vaters üben zu können.

Zum grandiosen Führungstrio stießen noch Ferruccio Furlanettos vor Kraft strotzender, tiefschwarzer Bass (Pater Guardian) und Alessandro Corbelli der im Gegenzug dazu geradezu eine Persiflage des schrullig-komischen Fra Melitone liefern durfte.

Das Orchester sorgte für intensive Spannungsmomente. Antonio Pappanos Präzisionsarbeit, stets sängerfreundlich, garantierte den Aufbau weiter Spannungsbögen. Das Publikum schloss in den Jubel für ihn und die Sänger auch das Leading Team ein: Die aus Amsterdam importierte Inszenierung Christof Loys kommt ohne Regieauswüchse aus (außer einer die Handlung eher noch weiter verunklarenden inszenierten „Sinfonia", die Pappano mit Schwung dirigiert). Loy punktet vor allem dank der Kunst, Menschenmengen individuell zu führen.

Grotesker Totentanz der Regie
„Rataplan" wird zum mitreißend grotesken Totentanz in Form einer Revueszene, das gekonnt choreografierte Chaos der „Klostersuppenszene" zum komödiantischen Gegenpol der tragischen großen Szenen. Deren dramaturgische Stringenz wird vor allem in der von Netrebko atemberaubend ausgespielten Entwicklung der Leonora vom Mädchen zur grauhaarigen alten Frau schlagend.

Die Aufführung am 2. April (19.15 Uhr) wird live in ausgewählte Kinos in ganz Österreich übertragen.



















 
 
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