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Tagblatt, 16.1.2019 |
Fritz Schaub |
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Mahler: Das Lied von der Erde, Luzern, 14. Januar 2019
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Jonas Kaufmann feiert im KKL die ekstatische Lebenslust |
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War das nun ein Starkonzert eines Tenors oder ein sinfonisches
Liederkonzert? Für Jonas Kaufmann und das Basler Sinfonieorchester war es
das Zweite, beim Publikum fällt die Antwort weniger eindeutig aus.
Nach der CD-Einspielung vor rund zwei Jahren sang Jonas Kaufmann am Montag
im Rahmen des Lucerne Chamber Circle, der «Konzertreihe ausserhalb des
Festivals im KKL Luzern», Gustav Mahlers «Lied von der Erde». Wobei er
wieder alle sechs Lieder gleich selbst übernahm. Dass seine Stimme seit dem
«Otello» noch gewachsen ist, bestätigte sich gleich zu Beginn.
Das
Basler Sinfonieorchester, das unter der Leitung des mit Kaufmann
befreundeten Jochen Rieder stand, war beim resolut auffahrenden Beginn
gleich voll da. Ebenso gab der Solist «mit voller Kraft» seinen Einsatz und
drang dabei mühelos durch. Mahler verlangt in diesem ersten Abschnitt,
eigentlich eine veritable Opernszene, eine heldische Stimme. Diese hatte
Kaufmann mit der bekannt baritonalen Farbe ohne sichtbare Anstrengung. Dies
erst recht bei der gespenstischen Vision vom «Aff’, der im Mondschein auf
den Gräbern hockt». Aber auch das Umschalten auf das leise «Dunkel ist das
Leben, ist der Tod» gelang, wenn auch nicht ganz so getragen, wie es Fritz
Wunderlich in der berühmten Referenzaufnahme macht, die auch Jonas Kaufmann
dabei erklärtermassen als Vorbild dient.
Erfüllter Schlussabschnitt
In diesem «Trinklied vom Jammer der Erde» aus der alten Gedichtsammlung «Die
chinesische Flöte» von Hans Bethge in deutscher Nachdichtung ist schon das
ganze Grundthema dieses Zyklus angeschlagen. Da feiert einer mit voller
Inbrunst das Leben, das er in vollen Zügen geniesst, und wird doch
nachdenklich, weil ihm im Gegensatz zu der sich immer wieder erneuernden
Natur nur eine kurz bemessene Zeit bleibt.
Am Ende, beim sechsten
Lied, kommt der Abschied mit dem mehrfach wiederholten «ewig, ewig …». Ist
das nun ein endgültiger Abschied? Man hat viel darüber gerätselt. Ist es
nicht vielmehr ein Hinübergleiten in die Ewigkeit («Allüberall und ewig
blauen licht die Fernen»)? In diesem letzten Abschnitt, der fast so lang ist
wie die fünf vorangehenden zusammen, gehen Orchester, das ein langes
Zwischenspiel hat, und Singstimme vollkommen ineinander. Hier wirkte
Kaufmann ganz entspannt, liess die Stimme frei strömen und fand zu einer
seltenen Innigkeit, während gleichzeitig das sich auflichtende Orchester
immer transparenter wurde und mit feinsten Details und kostbaren, chinesisch
kolorierten Farben aufwartete.
Einwände bei den andern Baritonliedern
Überraschend erhielt gerade hier der Entscheid zum gesanglichen Alleingang
seine Rechtfertigung. Bei den beiden andern Liedern, «Der Einsame im Herbst»
und «Von der Schönheit», für die Mahler einen Alt oder Bariton
vorgeschrieben hat, hätte man sich streckenweise doch eine fülligere,
breitere Stimme gewünscht, da wirkte manche Stelle eher flach. Aber in den
für Tenor bestimmten Liedern «Von der Jugend» und vor allem «Der Trunkene im
Frühling» steigerte sich Kaufmann wieder in eine ekstatische Lebenslust
hinein und tobte sich – dabei stets kontrolliert – so richtig aus.
Als der Schlussabschnitt mehr und mehr verdämmerte bis in die völlige Stille
hinein, wollte Jochen Rieder den Applaus zurückhalten, doch leider
vergeblich. Der Applaus galt wohl doch in erster Linie dem Tenorissimo, der
am Schluss im fast ausverkauften KKL Blumensträusse und Geschenke
entgegennehmen konnte.
«Das Lied von der Erde» ist mit einer Stunde
Dauer nicht abendfüllend. Offenbar nahmen die Basler Riccardo Chailly beim
Lucerne Festival 1990 zum Vorbild, der neben dem «Lied von der Erde» Luciano
Berios kurz zuvor uraufgeführtes «Rendering» dirigiert hatte.
Die
Wahl der etwa halbstündigen Restaurierung von Skizzen Franz Schuberts zu
einer «Zehnten Sinfonie» vor der Pause machte insofern Sinn, als etwa der
zweite expressive Satz mit einer omnipräsenten melancholischen Oboe durchaus
einen Anklang an Musik von Gustav Mahler hat.
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