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Die Oberbadische, 17.01.2019 |
Jürgen Scharf |
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Mahler: Das Lied von der Erde, Dornach, 16. Januar 2019
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Kampf mit der Akustik |
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Dornach/Basel - Das Sinfonieorchester Basel ist auf Deutschland- und
Schweiztournee mit dem weltberühmten Startenor Jonas Kaufmann. Zurück von
einigen großen Konzertsälen in München und Hamburg gab es am Mittwoch ein
Heimspiel auf dem Dornacher Hügel im Großen Saal des Goetheanums mit Gustav
Mahlers großsinfonischem Liederzyklus „Das Lied von der Erde“.
Aber
auch hier war bis in die Pausengespräche die Anspannung und Aufregung latent
zu spüren, die ein Eklat beim Auftritt in der Elbphilharmonie am vergangenen
Samstag ausgelöst hatte. Alle Orchester wollen ja den Publikumsliebling
„Elphi“ erobern. Kürzlich war auch das Kammerorchester Basel in dem Saal an
der Elbe, um den ein mächtiger Hype gemacht wird, ebenfalls mit einem
bekannten Starsänger, dem Bassbariton Erwin Schrott, und einer
halbszenisch-konzertanten Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“. Dem
Vernehmen nach waren die Akustikprobleme nicht so stark zu spüren wie beim
Liedkonzert des Sinfonieorchesters.
Was war eigentlich in Hamburg
passiert? Während des Konzerts gab es Zwischenrufe, Unruhe und
Abwanderungen. Zuhörer wechselten die Plätze oder verließen den Saal, weil
sie den Sänger Jonas Kaufmann aus Akustikgründen nicht richtig hören
konnten.
Umso mehr herrschte nach dem heftige Wellen schlagenden
Hamburger Gastspiel und dem folgenden Luzerner Auftritt im KKL am Montag,
der, wie man hörte, musikalisch wunderbar und ohne akustische Probleme über
die Bühne ging, nun gespannte Vorfreude auf das Extrakonzert in Dornach.
Wer hier einen Heldentenor erwartete, der erlebte einen lyrischen Tenor
mit baritonalem Kern und warmem Timbre, der zwar mit vollem Volumen, aber
doch sehr sensibel und mit vollendeter Natürlichkeit die sechs zartbitteren
Orchesterlieder sang. Jonas Kaufmann wählte einen auf jedes Selbstmitleid
verzichtenden Mahler-Stil. Und dass er gleich beide Partien, die des Tenors
und der Altstimme auf sich vereint, das ist ein Kraftakt, ein Spagat, der
nur einem Ausnahmesänger wie ihm gelingt.
Tatsächlich reicht
Kaufmanns Ambitus vollmundig bis ins tiefere Baritonregister. Und fraglos
hat der Tenor auch die Stimme für die hohen und leichten Töne. Das konnte
alles sehr gefallen, wie er diese thematisch todesverhaftete Musik eher
instrumental singt, nicht in Opernmanier verfällt, sondern das Liedfach
ernst nimmt, gerade das Ermüdete in „Der Einsame im Herbst“ liedhaft,
lyrisch und verinnerlicht angeht.
Da war also wirklich ein
Wechselgesang zu erleben zwischen lustig-behaglich heiteren Tenorliedern und
melancholischem Baritontimbre im schweren, verklärten „Abschied“. Und doch
stellte sich auch im Goetheanum-Saal die Frage nach der Balance zwischen
vokaler und instrumentaler Ebene. Auch wenn Kaufmann sehr auf die Lautstärke
des Orchesters achtete, wurde der Gesang stellenweise übertönt. Hier hätte
Jochen Rieder am Pult, ein Dirigent, mit dem der Sänger langjährig vertraut
ist, das Orchester ruhig etwas zurücknehmen können. Denn sobald es leiser
wurde, konnte sich Kaufmanns Organ sehr schön und textverständlich
entfalten.
Der symphonische Zusammenhang des komplexen sechsteiligen
Zyklus wurde so aber gewahrt, und die Basler durften in allen Gefühlslagen
zwischen Freudentanz und Trauermarsch schwelgen. Zuvor hatte das Orchester
die zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwebende Klanglichkeit in
„Rendering“, einem Fragment zur geplanten zehnten Sinfonie von Schubert,
rekonstruiert von Luciano Berio, erstaunlich einfühlsam und durchsichtig
herausgearbeitet.
Am Ende des Konzerts, nach dem sinfonischen
Liederzyklus Mahlers, gab es demonstrativ langen, heftigen Beifall und
stehende Ovationen für den Star des Abends.
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