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Online Merker, 21.01.2019 |
Gerhard Hoffmann |
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Mahler: Das Lied von der Erde, Baden-Baden, 20. Januar 2019
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Baden-Baden: „DAS LIED VON DER ERDE“ – 20.01.2019 |
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Erstmals in der Musik-Geschichte sang ein Solist (meines Wissens, zumindest
erlebte ich´s nie zuvor nach Dutzenden Live-Performances) alle sechs
Gesangsparts in Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“ ohne Partner. Jonas
Kaufmann debütierte nun mit diesem Novum glanzvoll und umjubelt im
Festspielhaus.
Nun will sich das Werk den gängigen
Klassifikationsregeln nicht recht fügen: schon Mahlers eigene Titulierung
ist zwiespältig und hebt die im Haupttitel genannte Gattung „Lied“ durch den
Untertitel „Symphonie“ die aber keine gewöhnliche, sondern eine für Tenor-
und Alt-Stimme und Orchester sein soll hervor. Primär handelt sich also um
einen Liederzyklus welcher sich der engen Umgrenzung des Lyrischen entzieht
und deutlich von symphonischen Elementen geprägt erscheint. So erklingen ein
idyllisch gefärbtes Scherzando mit Molltrio, ein lyrisches Intermezzo, ein
verbindendes Sonaten-Scherzo sowie ein traumhaft finales Adagio.
Wie
denn auch sei – beflügelt, voller Erwartung und Zuversicht begab sich der
Rezensent und Mahler-Fan zur mit großer Spannung erwarteten neuen Version.
Natürlich ohne jegliche Verfremdungen des vokalen Materials sang Jonas
Kaufmann mit seinem höhensicheren Tenor und setzte bereits zum eröffnenden
Trinklied vom Jammer der Erde gestalterische Akzente voll Komplexität.
Lyrisch ohne heroische Opern-Attitüde verströmte der exzellente Sänger sein
herrliches Stimm-Potenzial in nuancierten Varianten. Pathetisch, leicht
gedehnt in bewegender Tiefenwirkung erklang unbeschwert jugendlich gestaltet
Von der Jugend.
Ein Höchstmaß an Stimmkultur korrespondierte mit
großartiger Artikulation und Diktion auch beim 3. Tenorlied Der Trunkene im
Frühling in musikalisch evidenter Feinfühligkeit.
Phänomenal in
komplexer Gestaltung begegnete Jonas Kaufmann den drei Gesängen für die
tiefere Gesangsstimme: verhalten einem rezitativartigen Klagegesang ähnelnd
wirkte die Pretiose Der Einsame im Herbst auf den Hörer. Wunderbar variiert
gleich einem pastellfarbenem Miniaturbild in herrlich dunklen Vokal-Couleurs
erklang Von der Schönheit. Getragen von der elegischen
Instrumentaleinleitung folgte schließlich das bewegende Finale: Der
Abschied.
Auf wunderbare Weise emotional resignierend verknüpfte
Kaufmann die Nuancen der Textur zu traumhaft gewobener Vokalise. Vor der
dritten Strophe stand der trauermarschähnliche bewegende Instrumentalteil um
die Schlussphase (Er stieg vom Pferd) einzuleiten. In wehmütigem Verhauchen
mit entrückt schwebender Stimme beschloss der geniale Sänger den bewegenden
Vortrag mit der hoffnungsvollen Textzeile: Die liebe Erde allüberall blüht
auf im Lenz und grünt aufs neu! Allüberall und ewig Blauen licht die Fernen!
Ewig… ewig …
Am Pult des konzentriert musizierenden Sinfonieorchester
Basel waltete Jochen Rieder und wies den musikalischen Fluss der Partitur in
jene Kanäle welche die kompositorischen Strukturen vorgaben. Ohne Ecken und
Kanten trieb Rieder den instrumentalen Verlauf herrlich transparent voran,
blieb stets in Bereichen flexibler Tonsprache. In sensibler Stabführung war
Rieder dem Solisten ein zuverlässiger Begleiter und brachte zudem diese
expressiv, himmelwärts stürmende Musik emotional mit Raffinesse zum Funkeln.
Nach kurzem besinnlichem Atemholen entlud sich die lautstarke
Begeisterung des Publikums mit Rosen- und Stofftier-Übergabe (als
„Storchen-Botschaft“!) der Kaufmann-Fans vor dem offiziellen hauseigenen
Blumenstrauß.
Vor der Pause erklang zwar ein interessantes, aber aus
meiner Sicht zu Mahlers genialem Werk völlig ungeeignetem Vorspiel: Kurz vor
seinem Tod 1828 im Alter von 31 Jahren skizzierte Franz Schubert an seiner
„10. Symphonie“ – jedoch blieb sie wie weitere Arbeiten unvollendet. Von
jenen neuen Schubertschen Klangwelten angeregt bzw. inspiriert brachte
sodann Luciano Berio mit „Renderings für Orchester“ diese Entwürfe zu
widersprüchlich neuem Leben.
Mit Hingabe und instrumentaler
Vielfältigkeit begegnete das Basler S.O. unter Jochen Rieder dem Fragment
Allegro – Andante – Allegro souverän. Unverkennbar erklang wohlvertraute
Schubert-Melodik von Berios „Eingebungen“ disharmonisch in
Kling-Klang-Klong-Manier durchsetzt. Wie bereits meinerseits bemerkt nicht
die ideale Ouvertüre zum Folgewerk, eine Mahler-Komposition wäre wohl
passender gewesen? Höflicher anerkennender Applaus.
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