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Tagesspiegel, 08.02.2019 |
Von UDO BADELT |
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Konzert, Berlin 7. Februar 2019 |
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Die Zartheit des Mörders
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Ausflug nach Frankreich: Tenor Jonas Kaufmann singt in der Philharmonie Arien von Bizet, Gounod, Berlioz, Halévy und Meyerbeer. |
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Wer die Gelbwesten mal für einen Augenblick vergessen will, ist beim
Arienabend von Jonas Kaufmann in der Philharmonie goldrichtig. Ein
unpolitisches, idealisiertes Frankreich hört man da – obwohl die Epoche, in
der diese Arien und Ouvertüren von Emmanuel Chabrier, Charles Gounod oder
Hector Berlioz entstanden sind, natürlich auf eine Weise sozial zerrissen
war, die sich heute selbst die wütendsten Protestierer auf der Place
Charlesde-Gaulle kaum vorstellen können.
Weltflucht also ins
Opernthema Nummer eins, die Liebe, die im Fall von Georges Bizets „Carmen“,
aber auch bei Jules Massenets „Werther“ in die Katastrophe mündet. Kaufmann,
der gerne Themenalben veröffentlicht („Puccini“, „Du bist die Welt für
mich“), stellt auch bei diesem Ausflug über den Rhein sofort klar, was es
ist, das seine Stimme so attraktiv macht: Es ist das gezähmt Heldische, das
nicht alles platt walzt, was im Weg steht, sondern das durchzogen ist von
feinen Lyrismen, von tenoraler Leichtigkeit – merke: nicht
Leichtgewichtigkeit. So legt Kaufmann gleich vor, in der Arie „Pays
merveilleux!“ aus Giacomo Meyerbeers „L’Africaine“.
Das Orchester
lenkt nicht ab Das Orchester lenkt definitiv nicht vom Star ab: Jochen
Rieder dirigiert die Prager Philharmonia mit einer Gestik, die zwar
expressiv ist, aber trotzdem auf dem Weg zu den Musikern versandet.
Schleppend, stumpf der Klang, obwohl der Habanera- Rhythmus bei Bizet oder
das Streicherflirren in Jacques Offenbachs „Rheinnixen“-Ouvertüre
handwerklich gut herausgearbeitet sind. Aber nur sicher spielen reicht
nicht, es fehlen Mut zum Risiko und das Quäntchen Dämonie. Kate Aldrich hat
beides, an der Seite von Jonas Kaufmann singt sie Carmen mit
bronzeüberzogenem Mezzo und feurigem Glanz in den Augen.
Und doch:
Kaufmanns Stimme ist bis weit nach der Pause zwar von leuchtender, klug
gesteigerter Kraft, aber alles andere als ausgewogen. Sie gleicht eher einem
Bocksbeutel: bauchig in der Mittellage, mit dünnem, fast countertenoralem
Flaschenhals in der Höhe. Dann aber, in der Arie des Eléazar „Rachel, quand
du Seigneur“ aus Fromental Halévys „La Juive“, rastet etwas ein. Die Stimme
nimmt Pyramidenform an, mit breiter Basis und gleichmäßig zulaufender
Spitze, sie strömt unglaublich ebenmäßig und eindringlich in allen Lagen, es
ist Kaufmanns beste Leistung des Abends – was er auch weiß, seinem
verschmitzten Lächeln beim Applaus nach zu urteilen. Auch beim Orchester
scheint jetzt ein Knoten geplatzt, die Aragonaise aus Bizets ersten
Carmen-Suite gelingt befreit und gelöst. Dann der Höhepunkt, die
Schlussszene aus „Carmen“. Kaufmann entfaltet jetzt seine ganze Kunst des
Leisesingens, dieser Don José ist ein flüsterndes Monster. Es läuft einem
kalt den Rücken runter, als er Aldrichs Arm umfasst. Denn hier ist einer an
der Eifersucht irre geworden. Es ist die Zartheit des Mörders.
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