Drehpunkt Kultur, 05/08/18
VON ELISABETH AUMILLER
 
Wolf: Italienisches Liederbuch, Salzburg, Großes Festspielhaus, 3. August 2018
Kleine Dinge - Große Kunst
 
„Auch kleine Dinge können uns entzücken“, heißt das erste Lied im „Italienischen Liederbuch“ von Hugo Wolf. Diana Damrau und Jonas Kaufmann haben in ihrem Festspielliederabend mit der Gestaltung der 46 Miniaturen dieses Liederbuchs das Publikum in der Tat in Entzücken versetzt.

Dabei war nicht nur die minutiös eingesetzte vielfarbige stimmliche Klangpalette ein prachtvoller Hörgenuss, sondern untrennbar damit verbunden die mimische Entsprechung zum Textgehalt in fein dosierter szenischer Betonung. Im Wechselgesang in rascher Aufeinanderfolge entwickelten die beiden Gesangsstars kleine Genreszenen, die sie zu einem Reigen poetischer Juwelen formten. Damrau und Kaufmann reihten die Lieder nicht nach der Vorgabe Wolfs, sondern bündelten die Lieder zu einem aufeinander bezogenen Wechselgesang zu den Themen Liebe, Liebeserklärung, Liebessehnsucht, Untreue, Streit, unerwiderte Liebe, Abschied, Ironie, Neckerei. Das fabelhaft korrespondiernde Miteinander ergab ein köstliches rundes Ganzes.

Der Dichter Paul Heyse schuf eine deutsche Nachdichtung italienischer Volksliedtexte, die er auf seiner Italienreise kennengelernt hatte und veröffentlichte sie als „Italienisches Liederbuch“ im Geburtsjahr von Hugo Wolf 1860. Den Komponisten Wolf haben später diese Texte angesprochen. Er vertonte sie in zwei Abteilungen mit einer Pause von vier Jahren dazwischen. 1891 erschien der erste Teil, der zweite folgte 1896.

In der gesanglichen Formgebung der Stimmungsbilder spielten Damrau und Kaufmann mit einer Bandbreite vielfarbiger Schattierungen in prägnantem deklamatorischen Parlando, filigranem Piano oder volltönendem Klingen. Bewundernswert, wie sie ihre Opernstimmen so exzellent liedgerecht und dabei in ihrer charakteristisch klingenden Qualität zum Einsatz brachten. „Gesegnet sei, durch den die Welt entstund... er schuf die Schönheit und dein Angesicht“, ging es Kaufmann schmelzend über die Lippen, ebenso wenn er die „Allerschönste weit und breit“ höher einschätzte als Orvietos und Sienas Dom oder Viterbos Brunnen.

„Ein grünes Kleid will ich mir machen lassen“, verkündete Damrau mit der dazu passenden Stola, die sie bei jeder Liedgruppe farblich abstimmend wechselte. „Verschling der Abgrund meines Liebsten Hütte“, dramatisierte die Sopranistin aufmüpfig, worauf Kaufmann mit zärtlicher Sanftheit bat „Nun lass uns Frieden schließen...“ Und als sie meinte „... mit Tränen will ich deinen Weg befeuchten...“ hatte Kavalier Kaufmann gleich ein Taschentuch für sie bereit. Gold in der Stimme zeigte er beim Liebkosen ihrer Haare „Goldfäden, Seidenfäden ungezählt-Schön sind die Haare, schön ist, die sie stählt“ oder wenn er schwärmte „...die beiden Augen dort, die mich verblendet“.

Mit feiner Ironie ließ Damrau ihr seufzendes „Ach wäre doch ein Musikus mir gut“ zur spaßigen Nummer werden, ebenso „Mein Liebster ist so klein“. Voll Stolz zeigte sie die kalte Schulter „Nein junger Herr, so treibt man's nicht fürwahr.“ Da konnte er nur entgegnen „Willst Du nicht Liebe, nimm Verachtung hin“. Aber zum Abschluss trumpfte sie wiederum auf: „Ich hab' in Penna einen Liebsten wohnen, zehn in Castiglione“. Jede Zeile der beiden wurde zur poetischen Köstlichkeit voller Charme, Energie und stimmlicher wie gestalterischer Potenz.

Ein Gutteil des Erfolgs und des Reizes der Darbeitung war dem Mann am Klavier Helmut Deutsch zuzuschreiben. Er gab Wolfs Musiksprache elegante und eindringlich vermittelnde Prägung und unterstützte den Klangfarbenreichtum der vokalen Struktur mit pianistischen Perlen in expliziter Phrasierung und Brillanz, in teils angepassten teils vorgebenden Tempi und den vom Klavier initiierten fast nahtlosen Übergängen in der Reihung der Miniaturen. Ein großer Abend kleiner Liedpreziosen.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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