Der neue Merker, 4.2.2018
Gerhard Hoffmann
 
Wolf: Italienisches Liederbuch, Festspielhaus Baden-Baden, 2. Februar 2018
BADEN-BADEN: ITALIENISCHES LIEDERBUCH von Hugo Wolf
 
Auch kleine Dinge können uns entzücken – heißt es im ersten Vers des „Italienischen Liederbuchs“ (Hugo Wolf), von wegen „kleine Dinge“, geben sich schließlich zwei Weltstars der Oper Diana Damrau und Jonas Kaufmann die Ehre begleitet vom Koryphäen-Pianisten Helmut Deutsch. Seinen Tournée-Marathon in 12 europäischen Musik-Metropolen startete das Künstler-Trio heute auf ganz exemplarische Weise im ausverkauften Festspielhaus.

Das „Italienische Liederbuch“ erscheint zunächst als reiz- wie kunstvolles bittersüßes Liederspiel quasi Liebe erlebt, erlitten, verwandelt. Somit streifen die meisterhaften Übertragungen italienischer Volkspoesie durch Paul Heyse auch leicht biographisch das private Liebesleben des Komponisten. Von der venerischen Infektion als Siebzehnjähriger bis zum Tod hatte Wolf viele Facetten der Liebe und des Schmerzes in seinem kurzen Leben durchlebt. Der Liedzyklus entstand gleich eines musikalischen Psychogramms während drei Phasen des ereignisreichen Komponistenlebens.

Nun widmeten sich Diana Damrau sowie entgegen des sonst üblichen Baritonparts der Tenor Jonas Kaufmann dem Miniaturen-Zyklus der 46 Lieder auf höchst dialektische Weise. Für mich bedeutet ein Recital mit den beiden großartigen Solisten immer wieder aufs Neue ein Ereignis der ganz besonderen Art, ja und das wurde es wiederum fürwahr! Sinngemäß den jeweiligen Phasen, dem „Liebesleben“ des inhaltlichen Paares dramaturgisch angepasst, erklangen die Verse in entsprechend verändert neu geordneter Vortragsweise in vier Abschnitten und durchaus legitim von einer großen Pause unterbrochen.

Natürlich kann man nicht alle Preziosen einzeln beschreiben und somit werde ich mich auf wenige besonders markante Auszüge beschränken. Diana Damraus Sopran hat in seiner natürlichen Entwicklung das ursprüngliche Metier des Koloraturfachs längst verlassen, die strahlende glockenreine Stimme tendiert nun mehr in jugendlich dramatische Gefilde voll sinnlicher Wärme. Dem Wolf `schen Liedkosmos begegnete die Sängerin in hinreißend variierten Tongebungen mal naiv, kokett, mal verführerisch, mal gebrochen komisch. Wie selbstverständlich verband Damrau kapriziöse mädchenhafte Süße mit herb-ernstem Pathos, spannte Melodienbögen ob kurz oder auf großem Atem in Verbindung ihres herrlichen Timbres zu vollendeter Schönheit. Lakonisch hinterfragend, vokal fein nuanciert erklangen Man sagte mir, deine Mutter wollt´s nicht oder frech ironisch, kratzbürstig in perfekter Intonation Wer rief dich denn? Schelmisch zweideutig zu variierten Sopranlagen Mein Liebster ist so klein.

In überwältigend ausgereifter Vokalität bot Jonas Kaufmann seiner reizenden Partnerin Paroli im „Liebes-Duell“ und brachte seinen kernigen, aber gleichzeitig über samtenen Schmelz gebietenden Tenor ins abenteuerliche Spiel mit ein. Galant, nachsichtig, leicht ironisch parierte der Sänger in tenoralem Ausdruck- und Farbwechsel der Tongebungen zu ausgezeichneter Artikulation dem holden weiblichen Sentiment. Beeindruckend ebenso wirkten feine belkanteske Nuancen und gaben den teils spröden Melodien eine zusätzliche erfrischende Note. Melancholisch in weich-baritonaler Musikalität verband Kaufmann während Sterb ich, so hüllt in Blumen meine Glieder mit hervorragender Artikulation. Ein Kabinettstück vokaler Raffinesse servierte der Tenor, stets mit dem Schalk im Nacken bei Geselle, woll´n wir uns in Kutten hüllen oder konträr im männlich-herbem Aufbegehren kombiniert mit fein-sinnlichem Pianissimo zu Benedeit die sel´ge Mutter und offenbarte wiederum seine phänomenale Wandlungsfähigkeit.

Den Pianisten Helmut Deutsch zu rühmen hieße Eulen nach Athen tragen! Bereits in unzähligen Konzerten stets bewundert fasziniert immer wieder aufs Neue, in welcher sich Klavierspiel und Stimmen organisch vollkommen zur exemplarisch vollendeten Einheit verbanden. Wie Perlen auf der Schnur glitzern die pianistischen Kaskaden, die instrumentale Perfektion, jedes zierend-variierte Ornament, das lodernde Feuer aber auch die filigranen Anschläge der feinnervigen Interpretationen. Gleichwohl verbindet Helmut Deutsch musikalische Intelligenz, atmosphärische Klangzeichnungen, hinreißende Virtuosität im Dienen der Kunst und wahrhaft ehrlichem Musizieren.

Ein beglücktes Auditorium feierte die Künstler in ungestümer Herzlichkeit für diese Sternstunde beispielloser Liedkunst und wurde mit zwei herrlich-melodischen Duetten belohnt.





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top