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Abendzeitung, 23.07.2018 |
Michael Bastian Weiß |
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Wagner: Die Walküre, Bayerische Staatsoper, 22. Juli 2018
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Jonas Kaufmann als Siegmund in der "Walküre" |
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.Rein stimmlich ist Jonas Kaufmann eine Idealbesetzung für die Rolle des
Siegmund, dem Vater und tenoralen Vorfahren Siegfrieds. Auch aus der
Vergangenheit fallen einem nicht viele Sänger ein, die zusätzlich zur
geforderten Ausdauer in der Höhe noch ein derart schönes, dunkel glänzendes
Timbre einbrachten. Dazu kommt eine baritonale Substanz, die zunehmend
gewichtiger wird und dieser schwierigen Rolle seltene Gerechtigkeit
widerfahren lässt.
Einzig bedauerlich ist, dass Kaufmann so wenig
gestaltet, besonders die Zustände von Erregung und Verzweiflung, die diese
Partie prägen. Er konzentriert sich ganz auf den makellosen Gesang, setzt
aber der Deklamation, die so unbewegt bleibt wie sein mürrisches,
mechanisches Spiel, kaum Glanzlichter auf. Selbst die eindrucksvoll lang und
heldisch gehaltenen „Wälse“-Rufe muten seltsam unbetroffen an.
Man
kann wohl nicht alles haben – und muss dazu einräumen, dass seine Partner im
Kammerspiel des ersten Aktes besonders gegenwärtig sind: Anja Kampe als
Sieglinde realisiert mit ihrer atmenden Diktion jede sprachliche Nuance,
während Ain Anger als Hunding Augenrollen und Zähnefletschen allein durch
die Naturgewalt seines Basses ausdrückt.
Anheimelnd belkantistisch
Zu einem der Höhepunkte dieser Aufführung gerät Kaufmanns Schlussszene, wenn
er der todbringenden Walküre ruhige Klarheit und leise Entschlossenheit
entgegensetzt. Er schafft hier einen effektvollen Gegensatz zu dem
dramatischen Hochdruck von Nina Stemme als Brünnhilde, die an diesem Abend
ein wenig mit einem steifen Ansatz in der Höhe zu tun hat. Möglicherweise
hängt das an diesem feuchten Sommertag mit der Witterung zusammen, die in
der Bayerischen Staatsoper herrscht.
Dafür spräche, dass auch
Wolfgang Koch, ohnehin ein weicher Wotan, der auf bassbaritonale
Kultiviertheit setzt, am Ende des zweiten Aktes ermattet wirkt. Er hat sich
aber nach der Pause hörbar erholt.
Die Entdeckung dieses Ensembles
ist Ekaterina Gubanova als Fricka, welche die spielverderberische Figur so
anheimelnd belkantistisch anlegt, dass man ihr nicht nur das Gekeife
verzeiht, sondern nachvollziehen kann, warum sich Wotan einst in sie
verliebt haben muss. Eine Klasse für sich sind die acht Walküren, die jede
für sich als individuelle Personen greifbar werden und sich gleichzeitig in
den heiklen Ensembles zu ohrenbetäubender Schlagkraft vereinen können.
Womit wir schließlich bei Kirill Petrenko wären. Er hat diese Partitur
verinnerlicht hat wie kein Zweiter. Seine Fähigkeit, die einzelnen Akte
unter große Bögen zu spannen, wurde schon des Öfteren beschrieben, doch er
wächst immer noch über sich selbst hinaus. Mit jeder Aufführung gibt er
sowohl den Sängern als auch dem Bayerischen Staatsorchester wie nebenbei
immer und immer mehr Details vor, bis hin zu Crescendi und Decrescendi
einzelner Instrumente. Wenn man ihn dann selbstvergessen lächeln sieht,
hofft man inständig, dass er bei den Berliner Philharmonikern, die er
nächstes Jahr als Chefdirigent übernimmt, ähnlich glücklich werden wird. |
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