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IOCO, 18. April 2018 |
Von Patrik Klein |
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Puccini: Tosca, Hamburger Staatsoper, 17. April 2018
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Italienische Wochen enden – Tosca von Giacomo Puccini |
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Die Premiere von Verdis Messa da Requiem leitete die Italienischen Wochen an
der Staatsoper Hamburg vor rund einem Monat ein (IOCO berichtete
ausführlich). Man gab neben dieser neuen auch altbewährte Produktionen wie
Verdis La Traviata, „Rigoletto“, Aida, Puccinis Madame Butterfly und nun zum
Finale Puccinis Tosca in spektakulärer Starbesetzung. Mit hochkarätigen
Besetzungen in allen Produktionen hat die Staatsoper auffällige musikalische
und künstlerische Akzente gesetzt und in diesen Wochen das große Haus
mehrfach ausverkauft und eine Auslastung von gut 90% erreicht. Aufbauend
darauf wird es auch in der neuen Saison 2018/19 wieder zur etwa gleichen
Zeit eine Fortsetzung der Italienischen Wochen geben.
Die Handlung
Scarpia, Polizeichef in Rom, begehrt Tosca. Da ihr Geliebter, der Maler
Cavaradossi, zu den politischen Gegnern der Regierung gehört, kann Scarpia
ihn rechtmäßig gefangen nehmen. Er ordnet Cavaradossis Hinrichtung an und
hofft, mit dem Versprechen, ihn freizulassen, Tosca zu einer gemeinsamen
Nacht zu bewegen. Doch diese durchkreuzt seinen Plan.
Die
Inszenierung von Robert Carson
Die Wiederaufnahme der Inszenierung
des Kanadiers Robert Carsen aus dem Jahr 2000 hat beinahe etwas Zeitloses
und arbeitet mit Bildern von Anthony Ward. Sie ist wenig spektakulär und
dient auch gut für kurzfristig eingeflogene Superstars aus der Opernszene,
denn es läuft nach dem Motto: „Wer eine Idee hat, darf und kann sie so
gestalten“. Ansonsten ist man an der Rampe herzlich willkommen.
Regisseur Robert Carson und Ausstatter Anthony Ward verlegten die bezüglich
Zeit und Ort so eindeutig fixierte Handlung auf und hinter die Bühne eines
Theatersaals. Hier konnten die Protagonisten in einem Gebilde aus Lügen,
übertriebener Selbstdarstellung und mieser Schachzüge vorzüglich agieren.
Doch damals wie heute verblassten diese Ideen in der Umgebung eines
„Theaters im Theater“.
Das sakrale des ersten Aktes zum Beispiel, in
welchem vor den Augen der Madonna geflucht, gehasst und geliebt wurde,
vermag seine Wirkung nur in einer kirchlichen Sphäre zu entfalten und nicht
in einem nüchternen Zuschauerraum, wo die Theaterbesucher ein TE DEUM
anstimmten. Im ersten Akt der Tosca befand man sich im Zuschauerraum eines
traditionellen Opernhauses, erblickte zwei in Gold gefasste
Proszeniumssäulen, zwischen denen Scarpia als böser Spielverderber
auftauchte, und den geschlossenen roten Bühnenvorhang. Zwischen den Stühlen
versammelten sich die Balletttänzer und das Einlasspersonal, das die
Originalprogrammhefte der Oper verteilten. Nicht nur bei dem von den
hereinströmenden Zuschauern angestimmten Te Deum durfte man den Text nicht
so genau nehmen; schließlich hob sich der Vorhang und zeigte die Primadonna
als illuminierte Madonnenfigur.
Der zweie Akt in Scarpias
„Arbeitszimmer“ (vielleicht ein Probenraum des Theaters) im Palazzo Farnese
zeigte das Zentrum der dunklen Macht der römischen Geheimpolizei. „Vietato
fumare“ stand groß als Verbot an der Wand geschrieben, davor saß Baron
Scarpia rauchend am Schreibtisch. Er stand über dem Gesetz und handelte nach
eigenem Gutdünken. Und das Bild im dritten Akt auf der Engelsburg war kalt
und leer, von Hirtenidylle weit und breit keine Spur. Hinter der schrägen
Bühne im Hintergrund die ganze Zeit eine schwarze Wand. Hier öffnete sich
schließlich im Finale der schwarze Abgrund (vielleicht der Orchestergraben),
in den Tosca hinabstürzte, als alles zu spät ist. Alle waren tot, gewaltsam
gestorben, und die Musik vorbei – was blieb, war ein gleißendes Licht am
Abgrund.
Die Musik
Aber was schert das den Besucher 18 Jahre
nach der Premiere dieser Inszenierung. Alle wollen eines der Traumpaare der
Opernwelt, Anja Harteros und Jonas Kaufmann, einmal in Hamburg auf der
Opernbühne genießen. Die Tickets an der in den vergangenen Spielzeiten
mittelprächtig besuchten Staatsoper Hamburg waren innerhalb von wenigen
Minuten ausverkauft.
Jonas Kaufmann, seit 2006 zu den Top-Stars der
Klassik zählend, hier nun in Hamburg als revolutionärer Maler Mario
Cavaradossi war nach seiner nun bereits einige Monate zurückliegenden
Stimmkrise- und krankheit wieder eine Klasse für sich: Trotz ein paar
kleinen holprigen Anfangstönen erntete er für seine erste Arie Recondita
armonia mit dem hohen B ‚Tosca, sei tu!‚ viele Bravos. Seine Stimme ist
insgesamt noch baritonaler im Klang, seine Modulation, Phrasierung und seine
Stimmführung besonders bei den leisen Tönen umwerfend und emotional zu
Herzen gehend. Auch das in der Vergangenheit manchmal störende „gaumige“ ist
kaum hörbar. Interessaqnt: Im kommenden Konzert in der Elbphilharmonie
Hamburg im Januar 2019 wird Kaufmann als Tenor und Bariton angekündigt.
Seinen wilden Freudenausbruch über Napoleons Sieg bei Marengo, ‚Vittoria!
Vittoria!‘, krönte er mit einem strahlenden Spitzenton, und seine letzte
Arie E lucevan le stelle, in der er sich vor seinem Tod seiner Liebe zu
Tosca erinnert, sang er mit so eindringlicher Intensität, dass der
Zuschauerraum sich kurz in einem Jubelrausch befand.
Anja Harteros,
eine der größten Sopranistinnen unserer Zeit, gestaltet die Tosca grandios
mit intensiver Bühnenpräsenz, perfekter Stimmführung und absolut
bewundernswerter musikalischer Sensibilität. Ihre manchmal ein wenig scharf
wirkenden Spitzentöne passen hier ganz wunderbar zu der charakterlichen
Vielfalt der Rolle Floria Toscas. Im bewegend gesungenen Vissi d’arte im
zweiten Akt von Puccinis Oper, erobert sie die Herzen aller Besucher an
diesem für Hamburg endlich einmal international höchstklassigen Abend.
Auch Franco Vassallo, einer der führenden italienischen Baritone ist in
seinem Heimatland und weit darüber hinaus an allen großen Häusern der
Opernwelt bekannt und sehr geschätzt. Scarpia ist einer der übelsten
Bösewichte, die die Opernwelt zu bieten hat. Er ist hinterhältig, grausam,
abartig und einfach nur bodenlos böse, und Vassallo kostete im zweiten Akt
all seine schlechten Eigenschaften musikalisch und spielerisch aus. Mit Ha
più forte sapore la conquista violenta che il mellifluo consenso (Stärker
ist der Genuss einer gewaltsamen Eroberung, als der süßlicher Hingabe)
bestätigte er in seinem Monolog mit gefährlich samtenen Timbre und einem
schmierigen Grinsen seine wahre Natur. Mit ein klein wenig mehr Schwärze in
seiner Stimme wäre die Gestaltung der Partie noch perfekter geraten.
Die übrige Besetzung erfolgte solide mit den hauseigenen Solisten des
Ensembles Alin Anca, Alexander Roslavets (ganz besonders hier zu erwähnen
sein überzeugend gesungen- und gespielter Sagrestano; man darf sich auf die
Weiterentwicklung seines Repertoires als Ensemblemitglied in Hamburg
freuen), Julian Rohde, Shin Yeo, Rainer Böddeker und Ruzana Grigorian sowie
dem präzisen und wunderbar auftrumpfenden Chor der Staatsoper Hamburg
(Einstudierung Christian Günther) und dem fulminant musizierenden
Philharmonischen Staatsorchester. Pier Giorgio Morandi, der als regelmäßiger
Gastdirigent an allen großen Opernhäusern in Italien, Europa und weltweit zu
Hause ist, hält das gesamte Werk gut zusammen und gestaltet die Musik
Puccinis mit viel Energie, Einfühlung und italienischem Elan.
Das
Publikum ist nachdem der Vorhang fällt erwartungsgemäß entzückt und dankt
allen Beteiligten mit warmem bis stürmischem Applaus und Ovationen. Im
Vorfeld vernahm man Töne, die sagten, „das Haus steht zur Zeit auf dem
Kopf“. So ist der Staatsoper Hamburg zu wünschen, dass sie zukünftig öfter
„auf solchem Kopf stünde“!
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