Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, ab 28. Juni 2018
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Le Waldsterben |
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Pierre Audi und Georg Baselitz inszenieren Wagners Parsifals in München zur Festspieleröffnung als düsteres Endspiel – Kirill Petrenko und die Sänger triumphieren dagegen
Wo Wagner einen Baum vorsieht, werde es einen Baum geben, hatte Georg
Baselitz im Vorfeld seines Münchner Parsifal verkündet. Natürlich sehen die
Bäume von Baselitz auf der Bühne dann mehr nach Waldsterben aus als nach
„Waldweben“. Schwarz und kahl ragen sie in den Bühnenhimmel wie Skulpturen,
verkohlte Reste einer Zivilisation, die ihrem Niedergang entgegendämmert.
Dazu passend: die Gralsritter in langen schwarzen Filz-Mänteln wie
Kriegsheimkehrer (Kostüme: Florence von Gerkan). Alles ist in schwarz
gehalten – angelehnt an Baselitz‘ schwarze Bilder. Keine Hoffnung nirgends.
Waldsterben hoch 2. Soweit so erwartbar. Erwartbar war auch, dass Regisseur
Pierre Audi dem Maler-Superstar keine allzu großen inszenatorischen
Eigenständigkeiten entgegensetzen würde – nachdem Baselitz ja auch aus
seiner Ablehnung des sogenannten „Regietheaters“ kein Geheimnis macht. So
bleibt Audi nah an Wagners Regieanweisungen – man fühlte sich um gut 40
Jahre in der Inszenierungsgeschichte zurückversetzt.
Herausgekommen
ist in dieser Koproduktion ein braves und harmloses Steh- und Gehtheater,
das die Zuschauer binnen kürzester Zeit in den Tiefschlaf versetzen würde,
wenn, ja wenn da nicht diese grandios gespielte und gesungene Musik wäre.
Der Star des Abends ist also keineswegs Georg Baselitz, der am Ende auch
kräftige Buhs einzustecken hatte, sondern Kirill Petrenko, der
Dirigentenstar und Noch-GMD in München, der Orchester und Sänger ebenso
sensibel wie akzentuiert durch Wagners letzte Partitur geleitet. Einmal mehr
bestätigt er seine enorme Wagnerkompetenz, seine Detailliebe und
gestalterische Flexibilität. Jeder Ton, jede Phrase ist mit Spannung und
Bedeutung im Sinn einer musikdramatischen Aussage aufgeladen – dabei aber
ohne Nachdrücklichkeit oder Überpointiertheit (nur das Vorspiel geriet ein
wenig zu säkular und klarsichtig – fast hatte man den Eindruck, Petrenko
musiziert wie in Bayreuth, wo noch ein Deckel drauf ist). Und hierüber
erschloss sich einem dann auch die Inszenierungsidee von Audi, noch bevor
man sie in der Pause im Programmheft lesen konnte.
Die Sanftheit und
Milde von Gurnemanz‘ Begegnungen mit Kundry und Parsifal, die sich hier in
Tönen ausdrückt, machte schnell klar, dass es in dieser Aufführung weniger
um eine Kritik an den sektiererischen Eiferern und Lustfeinden vom heiligen
Gral geht, sondern um das Versöhnliche in deren Glauben, um Mitgefühl mit
dem Kreatürlichen, ums Buddhistische im Christlichen, wenn man so will. Die
Mitleidsthematik ist schließlich auch zentral in diesem
religionsphilosophischen Sammelsurium, das schon bei der Uraufführung 1882
so viel Zuspruch wie Ablehnung erfuhr. (Man lese nur mal nach, wie Nietzsche
über den weihrauchschwenkenden Wagner ätzte.) Nur hat man die
Mitleidsthematik in den vergangenen Jahren meist zugunsten einer
Problematisierung von anderen (gewichtigen) Themen zurückgedrängt.
Wie unendlich zärtlich klang es, als dieser Gurnemanz in Gestalt von René
Pape von Kundrys Schuld und ihrer Suche nach Vergebung sang und von dem
geschundenen Schwan, den Parsifal so sinnlos wie brutal abgeschossen hat.
Das ging einem an Herz und Nieren. Hat man das je schon einmal so gefühlvoll
auch im Orchester gehört? Ein erster Höhepunkt dieses langen, aber zu keiner
Zeit langweiligen Abends – in musikalischer Hinsicht, versteht sich.
Richtig ärgerlich wurde es allerdings im zweiten Akt, der komplett vor einem
weit vorne hängenden Mauerprospekt spielt – mit gruselig anzusehenden
Blumenmädchen mit wattierten Hängebäuchen. Das war nichts anderes als
konzertante Oper in Kostüme und Maske, für die Audi und vor allem Baselitz
sicherlich erkleckliche Summen kassierten. Doch so geht es nicht. Das wirkt
wie Arbeitsverweigerung. Im dritten Akt stand dann das Bild des ersten
Akts Kopf – welch Überraschung. Immerhin durften ein paar Strahler die
trotzlose Schwärze beim Karfreitagszaubers partiell erhellen…
Loben
wir lieber die wunderbaren Sänger dieser Aufführung – und den hervorragenden
Chor (einstudiert von Sören Eckhoff). Rene Papes salbungsvolle Milde wurde
schon erwähnt, als Gurnemanz dürfte er von keinem anderen derzeit zu
übertrumpfen sein – auch und gerade was die punktgenaue Deklamation und
stimmliche Nuanciertheit anbelangt. Jonas Kaufmann war ein wunderbares
Pendant dazu mit seinem baritonalen Tenor, der sich kraftvoll in die Höhe
schrauben konnte, wenn sich ihm Kundry zu sehr näherte. Er wirkte auch
szenisch glaubhaft, weil er die geforderte Naivität nicht ausagiert, sondern
ein Suchender ist von Anfang an. Nina Stemmes Kundry machte die innere
Zerrissenheit der Figur in jedem Ton leidvoll erfahrbar – mit ihr mußte man
tatsächlich Mitleid haben. Dabei verfügt ihre Stimme über eine Kraft und
Prägnanz, die schier die Saaldecke zum Einsturz bringt. Doch auch sie setzte
das Fortissimo ganz gezielt und bewusst ein, nicht als Dauerattraktion, wie
manch andere. Wunderbar auch Wolfgang Koch als groteske Witzfigur Klingsor –
ein wenig wie der dunkle und verkommene Bruder Papagenos mit schwarzen
Stutzflügeln aus Daunenstepp. Szenisch ist Koch das Highlight der Aufführung
in seiner unfassbar lächerlichen Aufmachung. Ein begnadeter Darsteller
gerade des Schrägen ist dieser Sänger ohnehin – was man allein daran sieht,
wie er sich kurz vor dem Blackout am Ende des 2. Akts nochmal windet, obwohl
er da ja schon längst tot ist. Wunderbar. Man würde sich nicht wundern, wenn
er plötzlich im dritten Akt um die Ecke käme… Gesanglich bleibt Koch der
Partie dabei nichts schuldig, singt pointiert und klangschön.
Christian Gerhaher als Jammerlappen vom Dienst Amfortas mag man kaum
anschauen in seinem grauenvollen rockartigen Kostüm und seiner seltsamen
Hüpfchoreographie am Krückstock. Leider hört man ihm auch nicht immer
wirklich gerne zu, weil er es schlichtweg übertreibt mit der Ausgestaltung
der Einzeltöne. Wenn jeder Ton anders klingt, mal Sprechgesang, mal
Schubert, dann wieder Forteausbruch – dann ist das einfach zu viel des
Kontrasts und sprengt jede Phrase und Linie – gut gemeinte
Ausdruckssteigerungsbemühung, die nach hinten los geht. Seine treue Münchner
Fangemeinde bejubelte ihn freilich trotzdem reichlich.
Nikolaus
Bachler, der Intendant der Bayerischen Staatsoper, bewies mit der
Inszenierungs-Besetzung dieser Premiere einmal mehr, dass es ihm mehr um
Namen und Publicity geht als um wirkliche theatrale Qualität. Das aber ist
der Bedeutung eines Hauses wie der Bayerischen Staatsoper nicht angemessen.
Zumindest bei der Vorlage des Bühnenentwurfs für den 2. Akt hätte Bachler
intervenieren müssen. |
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