Mittelbayerische, 29. Juni 2018
von Andreas Meixner
 
Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, 28. Juni 2018
Parsifal in Bestbesetzung
Wagners Mammutwerk feiert in der Münchner Staatsoper Premiere. Es begeisterte vor allem sängerisch und musikalisch.

Richard Wagners Alterswerk szenisch umzusetzen, muss für jeden Regisseur und Bühnenbildner im Grunde ein Alptraum sein. Es bleibt nur, sich dem vieldeutigen, pseudoreligiösen Plot halbwegs anzunähern, Interpretationsansätze zur disparaten Handlung zu finden und im Zweifelsfalle der Musik einen guten Boden zu bereiten. So könnte man jedenfalls Regisseur Pierre Audi und Georg Baselitz mit seinem Bühnenbild verstehen. Und Bild ist hier tatsächlich wörtlich zu nehmen, denn viel passiert in den drei Aufzügen nicht gerade.

Im ersten und dritten Aufzug ist die düstere Stimmung einer abstrakten Waldlichtung zu sehen, die im letzten Teil komplett auf dem Kopf steht. Im zweiten Aufzug wird ein riesiger Stoff als Burgkulisse hochgezogen, auf den Gral wird ohnehin ganz verzichtet. Im Hintergrund hängen ebenso kopfüber skizzierte Gestalten, Baselitz bemüht über Gebühr das typische Erkennungszeichen seiner künstlerischen Arbeit und vergisst bei aller Ästhetik seine Mitverantwortung für den Fortgang der Geschichte.

Denn Pierre Audi fällt zum Thema Personenregie nur wenig ein. Es passiert das, was man bei Wagneropern so satt hat: Die Sänger stehen oft einfach nur rum, gehen bedeutungsschwer von A nach B oder sacken am Rand der Bühne zusammen. Einzig der Opernchor wirkt gut choreographiert und in Szene gebracht. Die Sänger schleppen in einigen Szenen aber mühsam an den nackten Bodykostümen mit übergroßen und teils blutverschmierten Geschlechtsteilen. Schwer zu sagen, ob das die Provokation des Abends hätte werden sollen, eine tiefere Aussage zu transportieren hatte oder es einfach als humoristische Brechung der erdrückenden Ernsthaftigkeit des von Wagner explizit genannten „Bühnenweihfestspiels“ gedacht war. Davon abgesehen passierte wenig, lang andauernde „Standbilder“ machten die Augen bis auf einige Augenblicke müde.

Gerhaher glänzte
Was die musikalische Qualität des Abends anbelangt, so war das, was man in über vier Stunden Aufführungszeit hören durfte, ein großartiges Erlebnis. Mit Jonas Kaufmann als Parsifal, Christian Gerhaher als Amfortas, Nina Stemme als Kundry, René Pape als Gurnemanz, sowie Wolfgang Koch als Klingsor gehört die Besetzung zum Besten, was die Opernwelt derzeit zu bieten hat.

Gerhaher gelang eine ungemeine intensive und wuchtige Darstellung des unheilbar verwundeten Gralkönigs. Der helle, schlank geführte Bariton stand in keinem Widerspruch zum gebrochenen Charakter der Rolle, vielmehr ein Abglanz des einst kraftvollen Monarchen. Seine Szenen gehörten zu den intensivsten und anrührendsten Momenten an diesem Premierenabend.

Dass das Starensemble überhaupt so differenziert musizieren durfte, war der Verdienst von Kirill Petrenko, der den Musikern des famosen Bayerischen Staatsorchesters eine derart farbenreiche und reich schattierte Interpretation entlockte, die die Musik dem Malus des „Ewig Gestrigen“ völlig entriss und zu einer Klanglichkeit führte, die vieles wieder hörbar machte, weit entfernt vom Drang zum unkontrollierten Klangrausch und instrumentaler Ekstase. Den Sängern war eine Feinzeichnung ihrer Partie vergönnt, ohne Gefahr zu laufen, aus dem Orchestergraben erdrückt zu werden.

Mutige Deutung fehlte
Daraus entstanden viele kleine Momente, die die musikalische Leistung noch zusätzlich adelte. Wäre die Inszenierung auf der Suche nach einer kritischen, aber auch entschiedeneren Deutung mutiger gewesen, hätte vielleicht auch ein Parsifal von wahrer Größe und Richtungsweisung entstehen können.

So aber trug die Musik allein die ganze Last, ohne mit einer schlüssigen Szenerie und Regie belohnt zu werden. Wagners Parsifal bleibt weiterhin ein rätselhaftes Musikdrama, das sich schwer erschließen lässt. Musikalisch ist das jedoch unzweifelhaft gelungen, auf die erlösende Inszenierung wird man weiter warten. Die Buh-Rufe ertrugen Pierre Audi und Georg Baselitz trotzdem mit Fassung. Die Sänger und die musikalische Leitung wurden zu Recht bejubelt.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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