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Huffpost, 18/02/2019 |
Dagmar Wacker |
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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Spiel mit den Vorurteilen? |
Ein fast unscheinbarer ‚Otello’ in München |
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Dass es ein spezieller Opernabend war, merkte man schon beim Zugehen zur
Oper. Transparente mit Kartenbegehren wurden hochgehalten. Man musste sich,
wie ein Popstar, durch eine dichtgedrängte Menge drängen, und dabei wurde
man wiederum nach freien Karten gefragt.
Giuseppe Verdis ‚Otello’ ist
eine populäre Oper, gewiss. Doch dieses Mal schien die Tatsache, dass ein
zum Weltstar mutiertes ‚Münchener Kind’ - der Tenor Jonas Kaufmann - die
Titelrolle sang, entscheidend zu sein. Zumal er mit seiner langjährigen
Partnerin und Münchner Stammsängerin, der ebenfalls gefeierten Sopranistin
Anja Harteros, das berühmte Paar ‚Otello’-‚Desdemona’ spielte.
Auch
Innen setzte sich diese erwartungsfrohe Unruhe fort, die sonst nur bei der
Premiere einer Uraufführung oder Neuinszenierung zu spüren ist. Dieses aber
war schon die 3. Vorstellung.
Die Aufführung startete der verehrte
und leider als Generalmusikdirektor verlorene Kyrill Petrenko programmgemäss
mit einem Paukenschlag. Die Musik war herrlich, die Inszenierung eher
düster. Der gewählte Zeitpunkt, in dem diese Inszenierung spielte eher
unklar: Desdemona spielte in einem Nachthemd des 18. Jahrhunderts, Jago in
einer undefinierbaren Pijamahose mit T-Shirt, und Otello selbst in einer Art
Hilfspilotenuniform aus dem 2. Weltkrieg. Sowieso Otello: Es brauchte eine
gewisse Zeit bis man diesen auf der Bühne bemerkte. Auch weil Jonas Kaufmann
die Frisur gewechselt hat: Statt seines Markenzeichens, des sehr lebendig,
jung und vital wirkenden voluminösen Lockenkopfs, zeigte er einen auf der
Seite geschorenen Stil mit oben Gigolo-mässig gelegten, wie angeklebten
Haaren. Eine Wirkung zwischen Ronaldo und Seehund.
Die wenigen Haare
liessen seineGesichtszüge stärker hervortreten und damit völlig verändern.
Ausserdem blieb er, für den Otello ungewöhnlich, an Gesicht und Händen
weiss. Die sonst blonde, langhaarige Desdemona Anja Harteros, hingegen,
spielt in ihrer gewohnten brünetten kurzen Haartracht. Sollte dies ein
Hinweis sein auf die in der Opernzeitschrift Max Joseph thematisierten
Vorurteile? Der Mohr von Venedig stellt ja neben seiner natürlichen
Autorität vielleicht die gegen Schwarze oft geäusserten Vorurteile der
grossen Manneskraft, jedoch auch der schnellen Erregbarkeit, Tendenz zur
körperlichen Gewalt, und der übermässigen Eifersucht dar. Eigenschaften, die
beim weissen Amerika während des Prozesses gegen O.J. Simpson, den einst
gefeierten Footballstar, der seine blonde, weisse Exfrau und deren neuen
Liebhaber brutal gemeuchelt haben soll, immer wieder hochkamen.
In
dieser Inszenierung, die durch ein völliges Fehlen von Feinregie auffiel,
hatte ‚Otello’ aber wenig Präsenz. Macht und Führungsverhalten, sonst bei
Feldherren äusserst ausgeprägt, fehlten. Im Umgang mit seinen Truppen wirkte
er zurückhaltend, fast zögerlich. Nur in den Eifersuchts- und Mordszenen mit
Desdemona spürt man eine gewisse Lebhaftigkeit und Präsenz.
‚Deutsche
Inszenierungen sind immer hässlich’, beklagte sich die Dame neben mir. Sie
war extra aus Mailland für diese Aufführung angereist und von der Regie, dem
Bühnenbild und den Kostümen enttäuscht. Dem schlossen sich weitere Stimmen
sofort an.
Allerdings wurden wir durch die herrliche Musik und die
Sänger entlohnt. Jonas Kaufmanns Stimme war glücklicherweise nicht
zurückhaltend. Seine Technik und Diktion wie immer hervorragend. Doch die
grossen Höhepunkte bildeten die Duette mit seiner langjährigen
Bühnenpartnerin und Bayrischen Kammersängerin Anja Harteros. Die Stimmen
harmonierten und ihre Vertrautheit liess sie nicht nur die Details
auskosten, sondern auch stimmliche Risiken eingehen. Darstellerisch aber war
Jago, der kanadische Sänger Gerald Finley, eine Klasse für sich. Seine
Hinterhältigkeit, seine unterdrückte Wut, und sein frustriertes
Karrierestreben waren stark spürbar und dominierten somit auch die Emotionen
der Zuschauer.
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