Tiroler Tageszeitung, 27.11.2018
Von Jörn Florian Fuchs
 
Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
Glühender Kältestrom in tristen Bildern
 
Große Namen in szenischer Leere: Verdis „Otello“ mit Jonas Kaufmann, Anja Harteros und Gerald Finley an der Bayerischen Staatsoper.
 
Für Kurzentschlossene stellt sich die Frage, ob sich der neue Münchner „Otello“ nun lohnt, eher weniger. Denn wenn Jonas Kaufmann, Anja Harteros und Kirill Petrenko auf dem Besetzungszettel stehen, muss man früh aufstehen oder sehr gute Kontakte haben, um eine Karte zu ergattern. Wer es bei der Premiere ins Nationaltheater schaffte, erlebte eine Aufführung mit diversen Grautönen, mit etwas Licht und leider (zu) viel Schatten. Kirill Petrenko inszeniert mit dem Bayerischen Staatsorchester einen genau ausgehörten, in jedem kleinsten Detail präzise kons­truierten Verdi, der dennoch große Gefühlsräume öffnet. Es stürmt und drängt hier fulminant alles auf das bittere Ende zu. Anja Harteros zeigt bei Desdemonas Gebet und der rasch darauf folgenden Todesszene vokale Leuchtkraft, vorher hörte man etliche metallische Härten. Eine leichte Indisponiertheit? Jonas Kaufmann ist jedoch eine wirkliche Enttäuschung, mit angezogener Handbremse arbeitet er sich durch die überaus anspruchsvolle Titelpartie. Vieles tönt matt und angestrengt, nur selten kann sich der Publikumsliebling freisingen. Dazu packt ihn Regisseurin Amélie Niermeyer in einen unvorteilhaften Anzug, mit Buchhaltervisage statt dunkler Hautfarbe. Zum Außenseiter wird Otello hier einzig durch seine vollendete Biederkeit. Gegenspieler Jago hingegen ist eine überzeugende Figur, vokal wie szenisch. Gerald Finley agiert wunderbar vielschichtig und singt dabei hinreißend: elegant und grob, schmeichlerisch und wütend.

Was Amélie Niermeyer offenbar vorschwebt, ist ein von Henrik Ibsen oder August Strindberg inspiriertes, psychologisches Kammerspiel. Christian Schmidt schuf dazu verschiebbare Bühnenräume, leicht abgeranzte großbürgerliche Salons mit wenig Mobiliar und viel Leere. Mehrfach gerät Desdemona ins Trudeln, dann sorgen Projektionen für ein Verschwimmen, Durcheinandergeraten des Ganzen. Einmal entflammt sie (beziehungsweise ein Desdemona-Double) im Wortsinne, beim Vorbeigehen am Kamin fängt ihr Arm Feuer.

Während musikalisch ein gleißender Kältestrom unweigerlich aufs tödliche Ende zufließt, lässt einen die szenische Ebene überwiegend unberührt. Dazu kommt ein weiteres Ärgernis. Die beim „Otello“ so zentralen Chöre (toll einstudiert von Jörn Hinnerk Andresen und Stellario Fagone) stehen oftmals eher bedeutungslos herum und lähmen die Szenerie zusätzlich. So bleiben am Ende dieser heiß begehrten Neuproduktion etliche Leerstellen und Fragezeichen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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