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Nürnberger Nachrichten, 27.11.2018 |
Hannes S. Macher |
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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Liebe, Leidenschaft und blinde Wut |
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Verdis "Otello" an der Bayerischen Staatsoper mit dem Traumpaar Anja Harteros und Jonas Kaufmann |
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Nach solch einer Besetzung leckt man sich überall auf der Welt die Finger:
Anja Harteros als Desdemona und Jonas Kaufmann in der Titelpartie im neuen
Münchner Verdi-„Otello". Amélie Niermeyer führte Regie. Es dirigiert Kirill
Petrenko.
Grau ist hier alles: Die Kostüme der Protagonisten und des
Chores und die (von Bühnenbildner Christian Schmidt) imposant ins
Überdimensionale gestreckten Wände und Türen in den schmucklos-nüchternen
und in ein fahles Licht getauchten Salons von Otellos Palast. Alles ist so
düster wie die Stimmung in dieser von Eifersucht, Intrigen und Machthunger
geprägten Verdi-Oper.
Nur Desdemona, Otellos hingemeuchelte Gemahlin,
trägt zunächst ein symbolisch weißes Kleid und nach all den Vorwürfen
ehelicher Untreue ein schwarzes Rosenkostüm und schließlich eine
pechschwarze Abendrobe. Ganz taff ist sie unter den üblen Anschuldigungen
ihres Mannes geworden. Die Liebe ist perdu, die Ehe zerrüttet.
Und
Verdis Musik dieser 1887 in der Mailänder Scala uraufgeführten Oper ist
sowieso ein Paradestück im Dunkel der Leidenschaften und der Rache und ein
Psychogramm des sozialen Aufsteigers Otello. Als „Mohr" ist er zum
Oberbefehlshaber der venezianischen Flotte und zum Gouverneur von Zypern
ernannt worden, doch von seiner Eifersucht schier zerfressen und von üblen
Machenschaften seiner Untergebenen in die Enge getrieben, wird er zum Mörder
und Selbstmörder.
Ungemein tiefschürfend hat die Regisseurin Amélie
Niermeyer das Wesen dieses zwar erfolgreichen, aber innerlich restlos
kaputten Otello herausgearbeitet. Und Kirill Petrenko setzte dieses
Psychogramm eines völlig Zerrissenen musikalisch geradezu furios um. Voll
Emphase entlockte er dem fulminant spielenden Bayerischen Staatsorchester
sowohl die hochdramatischen wie die herrlich fein ziselierten Passagen, um
das Doppelbödige in Otellos Persönlichkeitsstruktur aufzuzeigen.
Sängerische Höchstleistungen Allein wie er die Ouvertüre mit geradezu
explodierender Wucht donnern ließ und die zahlreichen filigranen Stellen in
Verdis Partitur ungemein zart, sanft und voll lyrischer Sensibilität - vor
allem beim Liebesduett zwischen Otello und Desdemona im ersten Akt -
geradezu zelebrierte, ist phänomenal.
Und mit welch wundervoller
Hingabe er das Geschehen auf der Bühne musikalisch anfeuerte und die
Emotionen der handelnden Personen sowohl mit Impulsivität als auch mit
Empfindsamkeit begleitete, das forderte auch das famose Ensemble zu
sängerischen Höchstleistungen heraus.
Allen voran natürlich Jonas
Kaufmann in der Titelpartie, dem Kostümbildnerin Annelies Vanlaere einen
scheußlichen Anzug verpasste und der Theaterfriseur die Lockenpracht
gewaltig stutzte. Aber trotz seiner Tenorpracht und des absolut
glaubwürdigen Auftritts eines gebrochenen Helden blieb seine Stimme
bisweilen leider etwas farblos.
Doch Gerald Finley als intriganter
Jago, in Niemeyers Interpretation als Fiesling, der sich mit T-Shirt,
Sneakers und roten Socken als Kumpeltyp getarnt hat, brillierte mit
baritonaler Geschmeidigkeit, während Evan LeRoy Johnson als Desdemonas
vermeintlicher Liebhaber Cassio mit schön geführtem Tenor und Rachael Wilson
als Desdemonas Zofe und Jagos Gemahlin mit wunderschön warmem Mezzosopran
ebenfalls voll überzeugten. Dazu der bestens einstudierte und blendend
singende Chor der Bayerischen Staatsoper, der die wogenden Auftritte des
Volkes und dessen Emotionen mitreißend zu Gehör brachte.
Der Star
dieser Neuinszenierung ist freilich Anja Harteros als Desdemona. Eine
Stimme, die elektrisiert, und eine Bühnenpräsenz, die überwältigt. Allein
mit welcher Hingabe sie als Otellos selbstbewusste Gemahlin den weiblichen
Stolz und die verletzten Gefühle in ihrer Stimme und der intensiven
Darstellung ausdrückt, ist bewundernswert. Ebenso hinreißend wie geradezu
herzerweichend ist es, wenn sie kurz vor ihrer Ermordung, von Todesahnungen
heimgesucht, in das Hochzeitskleid schlüpft und das Lied von der Trauerweide
und das „Ave Maria" mit selten zu hörender Innigkeit anstimmt
Blinde
Wut Da läuft es dem Opernpublikum kalt über den Rücken, zumal Petrenko
dabei das Orchester in hinschmelzender Sensibilität schwelgen lässt. Und
ganz gewaltig an den Nerven zerrend ist es mitzuerleben, mit welcher
Brutalität Otello, zum aufwühlenden Fortissimo des Orchesters, sie aufs Bett
schleudert, um sie schließlich in blinder Wut zu erwürgen, bevor er sich
selbst das Leben nimmt Ein hochdramatisch inszeniertes und musikalisch ganz
gewaltig unter die Haut gehendes Finale. Der Jubel des Premierenpublikums
fiel denn auch geradezu stürmisch aus. |
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