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Online Merker, 31.12.2018 |
Ingrid Gerk |
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Strauß: Die Fledermaus, Semperoper Dresden, 29. und 30.Dezember 2018
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DRESDEN / Semperoper: DIE FLEDERMAUS (konzertant) |
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Christian Thielemann, der die ZDF-Silvesterkonzerte der Sächsischen
Staatskappelle Dresden von Beginn an Jahr für Jahr geleitet hat, hatte nun
erstmalig zum Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, dem
„Schwesterorchester der Sächsischen Staatskapelle“, wie er zu sagen pflegt,
“gewechselt“. Dafür kam Franz Welser-Möst, der vormalige
Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper nach Dresden, um mit der
Sächsischen Staatskapelle und prominenter Sängerbesetzung die „Fledermaus“
von Johann Strauß konzertant und in gekürzter Fassung aufzuführen. Mit der
„Fledermaus“ kann nichts falsch gemacht werden, schon gar nicht zu
Sylvester, wo sie ihren angestammten Platz hat. Sie ist beliebt, hat
Tradition und erscheint „unverfänglich“ (solange, nicht doch irgendjemand
ein „Haar in der Suppe“ bzw. im Text oder sonst irgendwie findet). Wie den
meisten Österreichern liegt auch Welser-Möst die Operette „im Blut“. Die
Dresdner kannten ihn bisher nur von der ernsteren Seite, als er 2016 bei
seinem Gastdirigat die „Neunte Symphonie“ von Gustav Mahler leitete, die er
wenige Monate später mit der Kapelle auch bei den Salzburger
Osterfestspielen aufführte.
Zügig, mit „Schmiss“ und „Schmäh“
zwischen temperament- und klangvoller Gestaltung und kongenialer
Sänger-Begleitung ließ er nun mit der Staatskapelle die Stimmung von der
Ouvertüre bis zum Finale von Minute zu Minute auf dem Stimmungsbarometer
höhersteigen. Da in fernsehgerechten 90 Minuten, für die die musikalischen
Teile geschickt und ohne spürbare Zäsuren zusammengefügt wurden, keine
gesprochenen Dialoge unterzubringen waren, musste auch der einzige
Gefängnis-Angestellte namens Frosch schweigen (kein Alkohol im Dienst!).
Dafür gaben Sky du Mont als „Gentleman vom Dienst“ und die Pianistin und
Kabarettistin Christine Schütze als elegant gestylte „Ballbesucher“, aber
mit wenig Witz oder Esprit vor jedem Akt eine kurze „Einführung“, die sie
offenbar „mit links“ zu machen gedachten, und so war es denn auch. „90
Minuten wie bei einem Fußballspiel“ resümierte der am Text hängende du Mont,
„einzige Gemeinsamkeit ist ein Ball“, und der nahm im Gegensatz dazu seinen
musikalischen Verlauf auf hohem Niveau.
Die Bühne der Semperoper war
dezent in einen Ballsaal alter Prägung verwandelt, mit nur wenigen, aber
wirkungsvollen Details: eine kleine “Revue“-Treppe, mehrere kleinere Spiegel
zwischen den Säulen in Gottfried Sempers Konzertzimmer (statt des
Riesen-Spiegels wie bisher), ein wenig rotes Licht von den
Proszenium-Scheinwerfern – und der Eindruck war perfekt. Alle Beteiligten
waren sehr geschickt in sehr elegante, mitunter wechselnde, Abendroben
gehüllt und treffend mit kleinen, die Bühnengestalt perfekt kennzeichnenden
Accessoires ausgestattet, wie z. B. ein kleines weißes Schürzchen für Adele,
die bewusste Morgenjacke für die beiden Herren um Rosalinde usw.
Mit
Spannung erwartet, gab Jonas Kaufmanns sein Rollendebüt als Eisenstein.
Äußerlich etwas „reifer“ geworden, passte er schon optisch gut in die Rolle
des lebens- und feierlustigen Herren, der auch amourösen Abenteuern nicht
abgeneigt ist. Gut gespielt und exakt gesungen, mit „eherner“ Stimme, die zu
einem energischen Mann namens Eisenstein passt, erinnerten auch die Duette
mit Rachel Willis-Sørensen als Rosalinde fast an die Dramatik großer Opern.
Sichtlich Spaß machte ihm dann die Verkleidung und Verwandlung als
vermeintlicher Anwalt. Da gab es sein komisches Talent zu entdecken. Er
hatte die „Feuerprobe“ bestanden und – wie könnte es anders sein – mit
Erfolg.
Bei nasskaltem Wetter und Grippe-Welle ging es auch hier
nicht ohne die gefürchtete Absage ab, Tuuli Takala konnte krankheitsbedingt
nicht als Adele auftreten. Dafür war Nikola Hillebrand vom Nationaltheater
Mannheim, die auch schon Auftritte in Glyndebourne, beim Musikfest Bremen
und der Mozartwoche Salzburg vorweisen kann, kurzfristig eingesprungen und
begeisterte als wirklich hübsches und dezent (versteht sich) raffiniertes
Kammerkätzchen mit jugendlich frischer Stimme und leicht und locker
dahinfließenden Koloraturen, wie man sie sich bei dieser Rolle nur wünschen
kann. Charmant in Spiel und Gesang, witzig und spritzig, als wäre ihr die
Rolle auf den Leib geschrieben, wirkte ihr Auftritt natürlich und echt.
Selbst die im doppelten Sinne künstlichen „Tränen“ waren gekonnt und wirkten
nicht peinlich!
Peinlich wurde es laut Libretto für Rosalinde, der
Rachel Willis-Sørensen überzeugend Gestalt und Stimme verlieh, nachdem ihr
Göttergatte mit Frack und Zylinder wegen Beamtenbeleidigung vorfristig ins
Gefängnis, respektive zum Ball gehen musste und an seiner Stelle der Tenor
und Verehrer Alfred alias Andreas Schager von Gefängnisdirektor Frank
„abgeholt“ wird. Alfreds Auftritt hinter der Bühne wirkte offenbar aus
akustischen Gründen weniger einschmeichelnd oder gewinnend, aber auf der
Bühne konnte sich Schager dann entfalten und bis zum hohen „a“ aufschwingen.
Als Gefängnisdirektor wirkte der sehr gut spielende und singende Michael
Kraus, ein echtes Theatertalent, wie geschaffen.
„Auf dem Ball“ wurde
gesungen und getanzt. Einen köstlichen Prinzen Orlofsky gab Elisabeth
Kulman, bestens bei Stimme, mit ausgezeichneter Artikulation und
Textverständlichkeit, Witz und Humor, leicht exotischem Einschlag und ein
wenig „russischer“ Mentalität, mit besonderem „Tick“ und „Kick“ (auch
künstlichem „Hick“ wegen des Champagners). Sie erschien als ein echt
verwöhnter, ungezogener, junger russischer Adliger, leichtlebig und
übermütig und auch ein wenig willkürlich, wenn es ums Amüsement ging.
Sebastian Wartig sang als der aus Rache alles heimlich arrangierende Dr.
Falke zwar gut, aber doch nicht kräftig genug, damit die Feinheiten seiner
gut geführten Stimme immer hätten zur Geltung kommen können. Seine
Aufforderung zum “Brüderlein und Schwesterlein“ erschien vielleicht etwas zu
edel und ohne das nötige Augenzwinkern.
Als Ida kam Tahnee Niboro als
rassige Schönheit (mit Adele offenbar aus einer Patch-Work-Familie stammend)
und sang mit ansprechender Stimme. Beomjin Kim war ein zurückhaltender Dr.
Blind, dem Kaufmann als Eisenstein leicht seine Rolle als Anwalt abnehmen
konnte, um die „Schlussverhandlung“, auf Rache sinnend, selbst zu führen,
was aber bekanntlich misslingt und mit einem versöhnenden „Remis“ oder –
wenn man so will – auch „Patt“ endet.
Der Sächsische Staatsopernchor
Dresden war in der Einstudierung von Cornelius Volke ein sehr guter,
ergänzender Mitgestalter. Mit „Champagner hat’s verschuldet …“ wurde das
Ausflippen aus den damals gültigen bürgerlichen Moralnormen gerechtfertigt.
Jetzt sieht man das Ganze lockerer. Dennoch hat diese Operette – schon wegen
der zündenden Melodien – nichts an ihrer Beliebtheit verloren. Jetzt konnten
alle Beteiligten nach diesem gelungenen Abend mit ruhigem Gewissen ein
Gläschen Champagner (oder auch Sekt oder – etwa gar Wasser?) trinken –
Welser-Möst als Gaudi aus der Flasche. Die Stimmung war großartig und gelöst
wie selten am Haus. Flitterregen rieselte von oben – hier wirklich passend .
Kaufmann und Schager tauschten demonstrativ wieder Frack und Hausjacke, die
Kaufmann nicht sofort wieder passen wollte – auch kleine Gags und „Pech und
Pannen“ gehören zu echtem Theater. Das alte Jahr wurde glanzvoll
verabschiedet, bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass das neue für Oper und
Staatskapelle weiterhin solche Höhepunkte bringt.
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