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Der Standard, 7. Mai 2017 |
Stefan Ender |
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Puccini: Tosca, Wiener Staatsoper, 5. Mai 2017
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"Tosca": Puccinis prächtige Partien |
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Fulminante Wiederaufführung an der Staatsoper |
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Wien – Ja, es wurde natürlich heftig und lang applaudiert, nachdem Jonas
Kaufmann E lucevan le stelle gesungen hatte. Und ja, das Publikum der
Freitagsvorstellung von Puccinis Tosca, es wollte sich natürlich ein Dacapo
erklatschen, so wie es bei Kaufmann vor gut einem Jahr gelungen war. Aber
nein, der deutsche Startenor wiederholte seinen nächtlichen Gesang nicht –
und machte damit das einzig Richtige. Wenn Kaufmann erneut eine Ehrenrunde
eingelegt hätte, das Publikum hätte in Zukunft wohl stets auf einen
Doppelpack spekuliert. Und ob Angela Gheorghiu, die stolze Tosca, danach
überhaupt noch den Weg auf die Bühne gefunden hätte, wäre wohl fraglich
gewesen. Vor einem Jahr war sie erst mit Verspätung zur Hinrichtung ihres
Geliebten erschienen. Doch an diesem Abend war die Stimmung zwischen der
rumänischen Künstlerin und dem deutschen Publikumsliebling glänzend.
Gheorghiu gab die Tosca mit einer Spielfreude, einer Natürlichkeit und einer
Differenziertheit, die fesselte. Speziell ihr erster Akt war mit das Beste,
was man in dieser Partie an der Staatsoper erleben durfte. Ihre
Verliebtheit, ihre Eifersucht, der unentschlossene Umgang mit Scarpia: So
etwas bekommt man am Burgtheater nicht nuancierter gespielt. Nicht umsonst
brandete nach dem ersten Akt eine Begeisterung auf, die fulminanter war als
mancher Schlussapplaus.
Auch gesanglich ließ Gheorghiu mit ihrem
warmen, weichen Sopran keine Wünsche offen. Klar: Sie ist eine Diva. Sie
setzt ein, wann sie will, und die Tempovorgaben des Dirigenten sind für sie
bestenfalls zum Ignorieren da. Wofür hat man auch eines der flexibelsten
Orchester im Graben der Staatsoper sitzen? Eben. Kaufmann glänzte besonders
im dritten Akt, sein Pianissimo war einzigartig, seine technischen Mittel
stupend. Im ersten wirkte er mit seinem kehlig-kernigen Timbre neben der
sonnenhellen Gheorghiu etwas statuenhaft. Zerstrubbelt und vokal druckvoll:
Clemens Unterreiner als Angelotti. Marco Vratognas Scarpia war ein
lustvoller Gewalttäter mit der physischen Präsenz eines Kampfsportlers;
mitunter bellte er die Partie regelrecht. Mit dem norwegischen Debütanten
Eivind Gullberg Jensen hatte der Italiener einen verlässlicheren Dirigenten
zur Verfügung als Ende Jänner mit Plácido Domingo. Rohe Gewalt, luxuriöse
Pracht und die wärmende Glut der Liebe: alles da. Ein großartiger Abend.
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