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Opernglas, März 2017 |
R. Tiedemann |
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Wagner: Lohengrin, Paris, Opera Bastille, 24. Januar 2017
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Lohengrin |
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Als an diesem kalten Januarabend in Paris kurz vor Vorstellungsbeginn ein
Herr mit Mikrofon vor den Vorhang in der Opéra Bastille trat, schien der
ganze, vollbesetzte Saal den Atem anzuhalten: Hatte es jetzt etwa doch den
Startenor erwischt? Die Erleichterung war fast körperlich spürbar, als zwei
andere Rollennamen fielen: Nicht Lohengrin, sondern Elsa und Telramund
mussten krankheitsbedingt umbesetzt werden. Jonas Kaufmann dagegen, der mit
dieser Premierenserie nach mehrmonatiger Zwangspause auf die Bühne
zurückkehrte, präsentierte sich gut disponiert und, was noch erfreulicher
war, tatsächlich im Vollbesitz seiner vokalen Kräfte. Befürchtungen, das
kostbare Stimmmaterial könnte durch die Erkrankung doch Schaden genommen
haben, schienen unbegründet, der typische Kaufmann-Sound war sofort da, die
Mittellage tönte kraftvoll und markant, die Höhen gelangen in der ihm
eigenen Art bravourös. Einzigartig war und ist die Lohengrin-Interpretation
von Jonas Kaufmann aber eben nicht allein durch das besondere Timbre und die
exzellenten stimmtechnischen Fähigkeiten, sondern auch und zuvorderst durch
die außerordentliche Musikalität und, damit einhergehend, die frappierend
natürliche Phrasierungskunst mit Wort- und Sinnbetonungen aus einem Guss —
in jeder Tonhöhe und auf allen Dynamikstufen, selbst im feinsten, dabei
immer hörbaren Pianissimo. Dass er dabei zudem praktisch lupenrein
intonierte und auf jedweden den Notentext verwässernden Manierismus
verzichtete, unterstrich nur umso mehr den Sonderstatus dieses
Ausnahmekünstlers. Allein durch den Mut zum Leisen, aber auch durch den
generellen Fassettenreichtum von Kaufmanns Differenzierungskunst lagen
Welten zwischen diesem Lohengrin und der gesamten weiteren Besetzung.
Edith Haller, ohnehin für die Februartermine als Elsa gebucht, war
kurzfristig für Martina Serafin eingesprungen, konnte aber nur zu Beginn
überzeugen. Der an sich ansprechend timbrierte, klangintensive, aber zu
geradlinig geführte Sopran neigte im Verlauf der Vorstellung zur Verhärtung,
einige Passagen gerieten aufgrund mangelnder Kontrolle unsauber, im
Brautgemach verrutschten gar zwei entscheidende Höhen derart ins Hässliche,
dass man sich über die Gesundheit der Stimme Gedanken machen musste:
Tagesform oder größere Probleme? Auf jeden Fall scheint Vorsicht geboten.
Keine Sorgen machen musste man sich dagegen um Tomasz Konieczny
(eingesprungen für Wolfgang Koch), der mit kernigem, virilem Bariton einen
höchst präsenten Telramund sang. Feine Nuancen waren seine Sache zwar nicht,
dafür hatten Kraft und Klangvolumen Priorität. Das konnte man mögen, störend
aber blieben so manche von unten angegangene Höhe und etliche
Vokalverfärbungen im Gedächtnis. An Evelyn Herlitzius scheiden sich immer
wieder die Geister; den Franzosen aber, das zeigte der Schlussjubel, gefiel
die große, hochemotional aufgeladene Vokalgeste dieser Ortrud mit ihrer sehr
direkten, scharfen Tongebung. Als König Heinrich gab Rene Pape eine
souveräne Vorstellung, die allerdings auch mehrfach Schwächen in der Höhe
offenbarte; Egils Silins ergänzte als sehr markanter, phonstarker Heerrufer.
Philippe Jordan ließ sein Orchester klar und präzise musizieren, hatte
stets mit Überblick die Sängerkoordination (und deren unterschiedliche
Kondition) im Griff und steuerte zielstrebig die großen Höhepunkte an. Ihm
ging es offenkundig weniger um mystifizierende Klangmagie aus dem Graben als
vielmehr um pralles, lebendiges Musiktheater in klanglich gut
ausbalanciertem Zusammenspiel mit der Bühne. Der von Jose Luis Basso
einstudierte Chor der Nationaloper stand dabei dem sauber, homogen und
klangstark aufspielenden Orchester in nichts nach und begeisterte
insbesondere in den großangelegten Passagen (Münsterszene). Die Rechnung
ging auf: Das Drama schritt im Musikalischen spannender voran als durch die
trotz ansprechender Ästhetik und einiger interessanter
Interpretationsansätze etwas matt und blutleer wirkende Regie von Claus
Guth. Die Produktion, die im Dezember 2012 an der Mailänder Scala
herausgekommen war, spielte mit szenisch visualisierten Erinnerungen der
Elsa und einem deutlich verstörten, psychisch labilen Lohengrin, ohne dabei
wesentliche Fragen beantworten zu können. Auf der Habenseite standen —
immerhin — die weitestgehend lineare, unverbogene Erzählung der originalen
Handlung sowie einige sehr schöne Szenenbilder, wie insbesondere im letzten
Akt der schilfumwucherte Teich, an und in dem sich die große, entscheidende
Brautgemach-Szene abspielte (Bühne: Christian Schmidt). Das Publikum dankte
am Ende allen Beteiligten mit großem Jubel, der bei Erscheinen der Elsa von
wenigen, aber deutlichen Buhrufen gestört wurde. Wahre Ovationen aber gab es
für den zurückgekehrten Jonas Kaufmann und seinen singulären Lohengrin!
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