Giordano: Andrea Chenier, Bayerische Staatsoper, 28. und 31. Juli 2017
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ANDREA CHENIER – Krönender Abschluss eines an Höhepunkten reichen Festspielmonats |
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Mit Andrea Chenier beendet die Bayerische Staatsoper ihre Festspielzeit
und es war ein wahrhaftiges Fest. Jonas Kaufmann und Anja Harteros, die
erklärten Publikumslieblinge der Münchner, zeigen noch einmal nach der
großartigen Forza del Destino vom Wochenende zuvor, dass sie in Gesang und
Spiel quasi blind harmonieren, auch wenn es in dieser Oper etwas dauert,
bis sie zueinander finden. Der Anfang gehört Jonas Kaufmann mit dem
Improvviso des Chénier. Während er das im März noch ziemlich zurückhaltend
angelegt hat, ist er diesmal von Anfang an voll da , wirft sich mit seiner
ganze Leidenschaftlichkeit in diese Rolle und spätestens bei dem
wunderschön sanften Diminuendo auf dem Wort „firmamento“ dürfte der
weibliche Teil des Publikums dahingeschmolzen sein. Einen Ton so wunderbar
überganslos vom heldischen Forte in sanftestes Piano bringen, das kann nur
er. Und diese heldischen Trompetentöne, die organisch aus der baritonalen
Mittellage erwachsen, das ist Kaufmann at his best.
Dann zu Beginn
des zweiten Aktes eine kurze Schrecksekunde: hat die Stimme da nicht kurz
gewackelt, ist fast weggebrochen? Es ist so schnell vorbei, dass man es
kaum wahrnehmen konnte, die Stimme leuchtet wie vorher. Heldisch dann das
„Si, fui soldato“, poetisch das „Un bel die die maggio“ und jubelnd das
Schlussduett.
Von Anja Harteros kann man eigentlich nur noch
schwärmen. Ihr Piano im Duett zweiten Akt ist berückend, und zum Ende des
Duetts verschmelzen die beiden Stimmen in purer Schönheit. Bei „La mamma
morta“ hält das Haus den Atem an. Wie sie dieses Bravourstück mit fahler –
und doch immer kontrolliert schöner – Stimme beginnt, es dann über die
tiefste Verzweiflung hin zu einer jubelnd lebensbejahenden Begeisterung
führt, das ist einfach phantastisch.
Da kann auch Gérard nicht
widerstehen und wandelt sich vom brutalen Vergewaltiger zum Verteidiger
der Liebenden. Ambrogio Maestri – kurzfristig für den erkrankten Luca
Salsi eingesprungen – zeigt, dass er mehr kann, als Falstaff und Frau
Melitone. Er zeigt, wie viel Belcanto auch in einer veristischen Oper
stecken kann, und ist am besten, wo er seine Stimme strömen lassen kann
ohne forcieren zu müssen. Forte-Höhen gelingen nicht immer, da wird die
Stimme eng. Aber sein das „Nemico della patria“ beendet er mit einem
triumphierend lang gehaltenen „e“ am Ende seiner Arie, was natürlich zu
Ovationen führt.
Keinen besonders guten Tag hatte Elena Zilio als
Madelon. Ihre Klage um die Söhne hat abrupte Dynamikänderungen, die
Registerwechsel sind deutlich hörbar. es ensteht ein sehr uneinheitlicher
Eindruck, über den auch die lauten Schluchzer am Ende der Szene nicht
hinweghelfen können. Schade, die Szene ist eigentlich ein Selbstläufer.
Aus dem Rest des Ensembles stechen vor allem J’Nai Bridges als Bersi
und Tim Kuypers als Joker-Mathieu hervor. Der Incroyable wurde von Kevin
Conners gesungen, der noch am Abend zuvor in Hoffmanns Erzählungen in den
Dienerfiguren brillierte. In weiteren Rollen waren Doris Soffel (Gräfin
von Coigny), Andrea Borghini (Roucher), Nathaniel Webster (Pierre
Fléville), Christian Rieger (Fouquier-Tinville), Ulrich Reß (Abate),
Anatoli Sivko (Haushofmeister und Schmidt) und Kristof Klorek (Dumas) zu
hören.
Das Dirigat von Omer Meir Wellber ist zugleich brutal und
zärtlich; Wellber fokussiert immer wieder auf neue Instrumentenstimmen,
die er in den Vordergrund holt, was zu einer ungemein plastischen,
bildhaften musikalischen Sprache führt. Er lässt das Orchester zuweilen
wie Filmmusik klingen; deckt dabei auch mal die Sänger zu, vor allem
Gerard im zweiten Akt, als er den Incroyable instruiert, nach Maddalena zu
suchen. Der Chor singt hier im Hintergrund, Gerard und Incroyable im
Mittelgrund, das voll aufgedrehte Orchester im Vordergrund: eigentlich ein
großartiges Klanggemälde. Extrem präzise aufspielend das Bayerische
Staatsorchester und ebenso singend der Chor der Bayerischen Staatsoper.
An das Gewusel, das Regisseur Philipp Stölzl auf der Bühne anrichtet,
hat man sich inzwischen gewöhnt, ebenso an den abgeschlagenen Kopf. Die
Personenregie ist bis zum letzten Choristen ausgefeilt, man merkt hier,
dass Stölzl vom Film kommt. Wenn Mathieu als Henker zum Schafott
hochsteigt, hält er erst kurz inne und zieht seinen Hut, wie es ein
Messner in der Kirche tun würde. Wenn die Liebenden zu Füßen des Schafotts
das Erwachen der Morgenröte besingen, bewegt sich alles hinter ihnen in
Zeitlupe: Das ist ganz großes Kino – oder ganz große Oper.
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