Die Bühne, 4/2017
HELMUT CHRISTIAN MAYER
 
Giordano: Andrea Chenier, Bayerische Staatsoper, 12. März 2017
VERISMO IM GUCKKASTEN
 
Giordanos „Andrea Chénier" in München
 
Er beginnt noch sehr vorsichtig, bald aber ist er wieder nahezu ganz der "Alte": Nach längerer, krankheitsbedingter Abwesenheit auch von seiner Heimatstadt München punktet Jonas Kaufmann als Andrea Chénier in Umberto Giordanos gleichnamiger Oper, jenem Revolutionsdrama, das erstmalig an der Bayerischen Staatsoper zu erleben ist. Kaufmann besticht mit seinem samtigen, baritonalen Timbre, seinen einzigartigen Piani und seinen ungetrübten Höhen. Ihm zur Seite steht eine großartige Anja Harteros. Bei ihrem Rollendebüt als Maddalena singt sie mädchenhaft, hochemotional, facettenreich. Sie ist schlichtweg ein Ereignis! Luca Salsi überzeugt mit seinem mächtigen Bariton als Gérard. Gut besetzt sind auch die vielen Nebenrollen. Omer Meir Wellber am Pult des Bayerischen Staatsorchesters lässt mit üppiger Dramatik, aggressiven und manchmal recht lauten Revolutionsklängen dennoch immer spannend musizieren. Regisseur Philipp Stölzl hat, ähnlich wie bei den Osterfestspielen mit Cavalleria und Pagliacci ein mehrstöckiges Guckkastenmodell mit vielen Räumen bauen lassen, in denen stets Parallelhandlungen stattfinden. Es ist ein mit historischen Kostümen ausgestatteter Querschnitt der Welt mit simpler Symbolik. Denn zuerst lebt der dekadente Adel in den oberen Etagen, während die geknechtete Dienerschaft im Keller dahinvegetiert. Nachdem sich durch die Revolution die Welt gedreht hat, ist es genau umgekehrt. Jubel für die Sänger, einige Buhs für die Regie!

 



 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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