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BR Klassik, 13.03.2017 |
von Annika Täuschel |
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Giordano: Andrea Chenier, Bayerische Staatsoper, 12. März 2017
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Weltklasse mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann |
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Kaum zu glauben - obwohl Giordanos "Andrea Chénier" durchaus als Hit und
Publikumsmagnet gilt, gab es das Stück bislang noch nie an der Bayerischen
Staatsoper. Das wurde nun endlich nachgeholt. Und Anja Harteros ist mit
ihrem Rollendebüt der Maddalena die Sensation des Abends.
Zugegeben,
liest man nur das Libretto, wirkt die Figur der Maddalena ein bisschen
flach. Adelstochter, begütert und verwöhnt, von den Wirren der französischen
Revolution traumatisiert. Geht - trotzig und doch weltfremd, nicht in der
alten, nicht in der neuen Ordnung zu Hause - mit dem Dichter Chénier in den
Liebestod. Opernklischee halt.
Bis Anja Harteros auf die Bühne des
Nationaltheaters kommt und mit "La mamma morta" ihre große Arie singt. Schon
zu Beginn, in der Mittellage, fast erzählend, verstört, fesselt sie mit
ihrer Unbedingtheit und Fokussiertheit. Und dann, wenn die großen Gefühle
kommen, die Spitzentöne, die Wucht und das Drama, macht Anja Harteros
stimmlich allen klar: Diese Frau liebt angstfrei und bedingungslos, sei ihre
Situation auch noch so ausweglos. Keiner kann sich ihr entziehen: ihr
Widerpart Gérard nicht, ihr Geliebter Andrea Chénier nicht, und das Publikum
auch nicht. Das Haus tobt. Die Harteros, mit Rollendebüt, mal wieder eine
Sensation!
Titelgeber von Umberto Giordanos Oper ist ein anderer: der
Dichter Andrea Chénier. Jonas Kaufmann wurde nach genesener
Stimmbanderkrankung begeistert aufgenommen und hat gezeigt: Er ist absolut
der Alte - mit dem, was seine Fans an ihm mögen und seine Kritiker monieren.
Perfekt passt die Partie zum Schmelz seiner Stimme und zu seinem Typ, sobald
es vollmundig, satt und leidenschaftlich wird, ist Kaufmann voller
Strahlkraft und Vitalität präsent und liefert vor allem im Duett mit Anja
Harteros Weltklasse. Etwas rau und heiser und auch nicht ganz bruchlos
verläuft es dann, wenn es vom Piano ins Forte oder zurückgeht -
Momentaufnahme? Comeback-Stress? Tagesform? Man wird sehen …
Auch der
dritte im Bunde, Bariton Luca Salsi als Gérard, besticht mit stimmstarkem,
souveränem und stilsicher geführtem Bariton, zeigt sich vielseitig und
überzeugend als selbstbewusster Rebell, als eifersüchtiger Rivale, als
kopflos roher Frevler, und als moralisch geläuterter, gewissenhafter
Staatsmann.
Bravo ebenso wie für "Figur Nummer 4", das Bayerische
Staatsorchester unter Omer Meir Wellber, das in dieser Partitur mit reinem
Begleiten nicht davonkommt, sondern mit eigenem Profil die ganze Palette des
Verismo souverän auskostet: charmant und elegant am Anfang, voller Schmelz
und großer Geste in der Mitte, bedrohlich, krass und hart angesichts der
Guillotine für Chénier und Maddalena am Ende. Für Dirigent Wellber nach
Boitos Mefistofele die zweite Premiere am Haus - eine gute Entscheidung!
Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl zeigt, dass er vom Film kommt
und teilt die Bühne des Nationaltheaters aufwendig und kleingliedrig in
verschiedene Räume, vor allem in Oben und Unten. Wo vor der Revolution noch
der Adel das Sagen hat, haben sich ab dem zweiten Bild die Welt und die
Herrschaftsverhältnisse gedreht. Gut daran ist die Parallelität der
Ereignisse, wer steht wann wo und mit wem kann man sympathisieren? Diese
Fragen lässt das Szenario durch die Überlagerung der verschiedenen
Realitäten gut zu. Ansonsten dominiert eher der plakative Pinsel und die
Standardgeste; ausgefeilte und hintersinnige Personenregie spielen in diesem
Historienschinken keine wirkliche Rolle. Muss aber bei Giordanos Andrea
Chénier, diesem Verismo-Zauberstück über die französische Revolution,
vielleicht auch nicht sein, zumal bei der Münchner Erstaufführung. Und
sobald Anja Harteros die Stimme erhebt, ist ohnehin alles andere egal.
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