Der Neue Merker
Susanne Kittel-May
 
Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 28. Juli 2016
„Die Meistersinger von Nürnberg“, 28.07.2016 – Wagner macht immer noch Spaß
Ja, diese Meistersinger machen immer noch Spaß. Auch bei diesem fünften Mal Sehen habe ich immer neue Details der in der Personenregie entdeckt, beispielsweise, wenn David in seinen langen Instruktionen vom Merker spricht und das „Versingen“ erwähnt, da zeigt einer aus der Menge der Lehrbuben unaufdringlich aber deutlich durch seine Körpersprache, dass ihm genau das passiert ist. Die andern schlagen ihm tröstend auf die Schulter. So werden auch die kleinsten Rollen zu lebensprallen Charakteren. Überhaupt ist David Böschs Inszenierung durchdrungen von einer tiefen Menschlichkeit, er scheint alle Figuren gleichermaßen zu verstehen und zu lieben, gibt so jedem einzelnen der Meister ein individuelles Gesicht und macht auch Beckmesser nicht nur zur Lachfigur, auch wenn gerade bei ihm einige slapstick-artige Elemente immer wieder zur Erheiterung des Publikums beitragen. Andererseits sind da noch diese kleinen Details, die immer wieder deutlich machen, dass es sich eben doch um Theater, um Illusion handelt, wenn Beckmessers Ukulele im Gerangel mit Sachs zu Bruch geht und aus dem Souffleurkasten eine neue hochgereicht wird, oder wenn Beckmesser mit einem Fingerschnipsen die Kirmesbeleuchtung an dem Hubwagen anschaltet, von dem aus er sein verunglücktes Ständchen halten will. Das mag alles nicht neu sein, aber es passt wunderbar in diese Inszenierung. Auf die Videoeinspielungen im 1. Aufzug hätte ich verzichten können, die tragen nicht zur Erhellung des Geschehens bei, und dass es sich bei „Meistersinger e.V.“ um einen traditionsreichen Verein handelt, ist ohnehin klar.

Gesungen und musiziert wurde wieder auf hohem Niveau. Das Orchester unter Kirill Petrenko, im Vorspiel noch sehr laut und ungewohnt grobschlächtig, fand im Laufe des Abends zur gewohnten Form mit feinsten Nuancierungen und der für Petrenko typischen Transparenz der Stimmen.

Wolfgang Koch erwies sich einmal mehr als Herz und Seele der Aufführung. Sein Sachs ist schlampig und versoffen, aber auch spitzbübisch, einfühlsam und liebevoll. Den Flieder- und den Wahn-Monolog, Wendepunkte in der Handlung, gestaltet er mit großer Stimm- und Ausdruckskraft, oft in einem sehr natürlichen Parlando-Ton, der sich zu großen Bögen aufschwingen kann. Er und Jonas Kaufmann wirken wie ein bestens eingespieltes Team, was die Dynamik und Rollengestaltung angeht. Kaufmann ist von Beginn an voll da, bei ihm begeistern nicht nur die Preislieder, die er mit heldentenoralem Glanz singt, sondern noch viel mehr einzelne, kurze Phrasen, die er mit berückend weicher Stimme singt, so das „Du fliehst? Entweichst?“

Sarah Jakubiak als Eva hatte leider ausgerechnet zu Beginn des Quintetts Probleme sich freizusingen, vorher und danach zeigte sie eine gut fokussierte, wenn auch nicht sehr farbenreiche Stimme. Am besten gefiel sie mir in der Auseinandersetzung mit Sachs im 2. Aufzug, da konnte sie die dramatischen Qualitäten ihres Soprans zeigen.

Christof Fischesser als Pogner konnte vor allem mit den hohen Tönen seiner Partei glänzen, er zeigte eine dynamisch differenzierte Rollengestaltung, wurde allerdings vor allem in der tieferen Lage oft unhörbar.

Die einzige wichtige Umbesetzung im Vergleich zur Premierenserie gab es bei der Figur des Beckmesser: Markus Eiche ist in Bayreuth als Donner und Gunter unterwegs, so wurde Martin Gantner der Münchenr Festspiel-Beckmesser. Stimmgewaltig und spielfreudig auch er. Wie sein Rollenvorgänger macht auch er eine gute Figur im Goldglitzeranzug auf der Festwiese, die Stimme gewaltig, man hört, dass da ernsthafte Konkurrenz für den Meistertitel unterwegs ist. Er hält die Endnoten in der 1. Strophe seines Ständchens seeeehr lange und singt auch den hohen Ton auf „wachs“ am Ende der Auseinandersetzung mit Sachs in der Schusterstube voll aus.

Insgesamt eine schöne Festspielaufführung und auch die amerikanischen Gäste, von denen sehr viele in meiner Nähe saßen, riefen Bravo, nachdem Stolzing und Eva im gewollt kitschigen Glimmerregen Hand in Hand in ihre gemeinsame Zukunft davongestürmt waren.






 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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