Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 28. Juli 2016
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„Die Meistersinger von Nürnberg“, 28.07.2016 – Wagner macht immer noch Spaß |
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Ja, diese Meistersinger machen immer noch Spaß. Auch bei diesem fünften Mal
Sehen habe ich immer neue Details der in der Personenregie entdeckt,
beispielsweise, wenn David in seinen langen Instruktionen vom Merker spricht
und das „Versingen“ erwähnt, da zeigt einer aus der Menge der Lehrbuben
unaufdringlich aber deutlich durch seine Körpersprache, dass ihm genau das
passiert ist. Die andern schlagen ihm tröstend auf die Schulter. So werden
auch die kleinsten Rollen zu lebensprallen Charakteren. Überhaupt ist David
Böschs Inszenierung durchdrungen von einer tiefen Menschlichkeit, er scheint
alle Figuren gleichermaßen zu verstehen und zu lieben, gibt so jedem
einzelnen der Meister ein individuelles Gesicht und macht auch Beckmesser
nicht nur zur Lachfigur, auch wenn gerade bei ihm einige slapstick-artige
Elemente immer wieder zur Erheiterung des Publikums beitragen. Andererseits
sind da noch diese kleinen Details, die immer wieder deutlich machen, dass
es sich eben doch um Theater, um Illusion handelt, wenn Beckmessers Ukulele
im Gerangel mit Sachs zu Bruch geht und aus dem Souffleurkasten eine neue
hochgereicht wird, oder wenn Beckmesser mit einem Fingerschnipsen die
Kirmesbeleuchtung an dem Hubwagen anschaltet, von dem aus er sein
verunglücktes Ständchen halten will. Das mag alles nicht neu sein, aber es
passt wunderbar in diese Inszenierung. Auf die Videoeinspielungen im 1.
Aufzug hätte ich verzichten können, die tragen nicht zur Erhellung des
Geschehens bei, und dass es sich bei „Meistersinger e.V.“ um einen
traditionsreichen Verein handelt, ist ohnehin klar.
Gesungen und
musiziert wurde wieder auf hohem Niveau. Das Orchester unter Kirill
Petrenko, im Vorspiel noch sehr laut und ungewohnt grobschlächtig, fand im
Laufe des Abends zur gewohnten Form mit feinsten Nuancierungen und der für
Petrenko typischen Transparenz der Stimmen.
Wolfgang Koch erwies sich
einmal mehr als Herz und Seele der Aufführung. Sein Sachs ist schlampig und
versoffen, aber auch spitzbübisch, einfühlsam und liebevoll. Den Flieder-
und den Wahn-Monolog, Wendepunkte in der Handlung, gestaltet er mit großer
Stimm- und Ausdruckskraft, oft in einem sehr natürlichen Parlando-Ton, der
sich zu großen Bögen aufschwingen kann. Er und Jonas Kaufmann wirken wie ein
bestens eingespieltes Team, was die Dynamik und Rollengestaltung angeht.
Kaufmann ist von Beginn an voll da, bei ihm begeistern nicht nur die
Preislieder, die er mit heldentenoralem Glanz singt, sondern noch viel mehr
einzelne, kurze Phrasen, die er mit berückend weicher Stimme singt, so das
„Du fliehst? Entweichst?“
Sarah Jakubiak als Eva hatte leider
ausgerechnet zu Beginn des Quintetts Probleme sich freizusingen, vorher und
danach zeigte sie eine gut fokussierte, wenn auch nicht sehr farbenreiche
Stimme. Am besten gefiel sie mir in der Auseinandersetzung mit Sachs im 2.
Aufzug, da konnte sie die dramatischen Qualitäten ihres Soprans zeigen.
Christof Fischesser als Pogner konnte vor allem mit den hohen Tönen
seiner Partei glänzen, er zeigte eine dynamisch differenzierte
Rollengestaltung, wurde allerdings vor allem in der tieferen Lage oft
unhörbar.
Die einzige wichtige Umbesetzung im Vergleich zur
Premierenserie gab es bei der Figur des Beckmesser: Markus Eiche ist in
Bayreuth als Donner und Gunter unterwegs, so wurde Martin Gantner der
Münchenr Festspiel-Beckmesser. Stimmgewaltig und spielfreudig auch er. Wie
sein Rollenvorgänger macht auch er eine gute Figur im Goldglitzeranzug auf
der Festwiese, die Stimme gewaltig, man hört, dass da ernsthafte Konkurrenz
für den Meistertitel unterwegs ist. Er hält die Endnoten in der 1. Strophe
seines Ständchens seeeehr lange und singt auch den hohen Ton auf „wachs“ am
Ende der Auseinandersetzung mit Sachs in der Schusterstube voll aus.
Insgesamt eine schöne Festspielaufführung und auch die amerikanischen Gäste,
von denen sehr viele in meiner Nähe saßen, riefen Bravo, nachdem Stolzing
und Eva im gewollt kitschigen Glimmerregen Hand in Hand in ihre gemeinsame
Zukunft davongestürmt waren.
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