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Bayerische Staatszeitung, 20.05.2016 |
Marco Frei |
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Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 16. Mai 2016
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Deutschland sucht den Supersänger |
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David Böschs Münchner "Meistersinger"-Inszenierung gerät zum berauschenden Großereignis |
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Die große Stärke von David Bösch ist die Leichtigkeit, mit der er selbst
komplexe oder kontroverse Opernstoffe auffrischt. Wie nur wenige andere
deutsche Regisseure schafft es Bösch, das moderne Regietheater mit
romanophilem Charme zu bereichern. Statt neunmalkluge Konzepte aus dem Hirn
zu pressen, wagt er das sinnliche Spiel. Bösch verzaubert, indem er
Geschichten einfach laufen lässt. Genau davon profitieren auch Richard
Wagners Meistersinger von Nürnberg, die Bösch für die Bayerische Staatsoper
neu inszeniert hat.
Vieles ist aus seinen bisherigen Arbeiten
bekannt: Wieder knattern Fahrzeuge über die Bühne. Und wer eine politische
Deutung dieser Wagner-Oper erwartet, die von den Nazis besonders missbraucht
wurde, wird enttäuscht – weil Bösch nicht politisch denkt.
Trashige
Casting-Show
Dafür aber schärft Bösch liebevoll das Komödiantische
der Handlung und das Schablonenhafte der Figuren. Wagners Meistersinger
inszeniert er als großes Volksfest, das bald zu einer trashigen Casting-Show
mutiert (Bühne: Patrick Bannwart). Hier sucht Deutschland den Supersänger,
wobei das aufmüpfige Landei Walther von Stolzing die Regeln gehörig
durcheinanderbringt (einnehmend: Jonas Kaufmann). Als cooler Rocker mit
Lederjacke und Gitarre präsentiert sich Kaufmanns Stolzing: eine Mischung
aus James Dean und Peter Kraus (Kostüme: Meentje Nielsen).
Für die
strikte Einhaltung der Tradition steht wiederum Sixtus Beckmesser (stark:
Markus Eiche). Er will sich am Ende mit dem jungen Stolzing messen und ihm
lehren, was die „hohe Kunst des deutschen Lieds“ sei.
Der Preis ist
heiß: Der Gewinner darf die Tochter des Goldschmieds Pogner (Christof
Fischesser) ehelichen. Eva heißt sie (Sara Jakubiak): Vom ersten Augenblick
an sind Stolzing und Eva total ineinander verknallt.
Mit dem Schuster
Hans Sachs (überragend: Wolfgang Koch) hat das junge Paar einen großherzigen
Fürsprecher. Für diese Liebe ist er bereit, manche starre Meister-Regel für
Stolzing zu lockern. Dagegen kommt Beckmesser nicht an. In einer Nacht
trällert er ein Ständchen für die schöne Eva, die sich allerdings von
Magdalene (wunderbar: Okka von der Damerau) vertreten lässt. Auf einem Kran
fährt Beckmesser hoch und runter, mit Blinklicht und Laute – eine herrlich
groteske Slapstick-Einlage.
Was folgt, hat nichts mehr mit Komik zu
tun. Weil der Lehrbub David (großartig: Benjamin Bruns) in Magdalene
verliebt ist, rächt er sich an Beckmesser. Die berühmte Prügelszene entartet
zu einer Massenschlägerei, in der ein kruder Mob in Affenmasken auf
Beckmesser einschlägt – entfesselt, mit Baseball-Schlägern.
Das
Lachen über Beckmesser erstickt: Sekundenschnell switcht Bösch von Komik zu
blankem Horror um. Das erinnert an den Film The Purge (2013), in dem einmal
im Jahr für eine Nacht alle Verbrechen erlaubt sind – auch Mord und
Totschlag.
Wagner-Büste zertrümmert
Anschließend sitzt
Beckmesser im Rollstuhl, und als Stolzing das Wettsingen gewinnt, erschießt
er sich. Zuvor besingt Sachs in der finalen Arie die deutschen Meister und
die deutschen Lande. Dazu zeigen die Videos Störbilder, vereinzelt
aufgebrochen mit Nazi-Assoziationen (Video: Falko Herold).
Der
Selbstmord Beckmessers, der die deutschen Regeln streng auslebt, ist auch
ein Kommentar auf die deutsche Geschichte. Und wenn Stolzing im ersten Akt
eine Wagner-Büste zertrümmert, äußert sich auch hierin eine kritische
Distanz. Hier wird Bösch doch etwas politisch.
Sonst aber profitiert
seine Regie vor allem vom glänzenden Spiel des Bayerischen Staatsorchesters
unter Kirill Petrenko. Mit raschen Tempi und glasklarer Durchhörbarkeit
wurde Petrenkos Meistersinger-Debüt ein berauschendes Großereignis.
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