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BR Klassik, 17.05.2016 |
von Sylvia Schreiber |
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Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 16. Mai 2016
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Premiere mit Jonas Kaufmann und Kirill Petrenko |
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An der Bayerischen Staatsoper feierte am Pfingstmontag eine
Neuprodukton von Wagners "Meistersingern" Premiere: mit Jonas Kaufmann als
Walther von Stolzing und Wolfgang Koch als Hans Sachs. David Bösch setzte
den Sängerwettstreit in Szene und die Gesamtleitung hatte Kirill Petrenko.
Eine Kritik von Sylvia Schreiber. |
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Die Meistersinger - ein Satyrspiel
Ein "Satyrspiel"
hat sie Richard Wagner genannt, seine Oper "Die Meistersinger von Nürnberg".
Einen Kontrapunkt wollte er setzen zum tragischen "Tannhäuser". Befreiend
sollten die Meistersinger sein, nach so viel Tragödie. Das Libretto hat
Wagner selbst verfasst, für die Helden hat er sich größtenteils von
historischen Figuren aus der Zeit der Reformation inspirieren lassen, dazu
ein bisschen ETA Hoffmann aus den "Serapionsbrüdern", ein bisschen Wagenseil
- und sogar eine autobiographische Anekdote hat Wagner einfließen lassen.
Dunkel wie der Bayerische Wald
Ein sportliches Tempo schlägt Kirill
Petrenko in der Meistersinger- Ouvertüre an. Schlank, sehnig und dabei
geschmeidig zeigt das Bayerische Staatsorchester seine Muskeln: die
Streicher mal samtig, wie Bierschaum, mal messerscharf im unisono, die
Holzbläser fein und akkurat, wie geschnitzt, das Blech, tief und dunkel wie
der Bayerische Wald. Das Orchester ist gewappnet für den Wettkampf der
Meistersinger.
Jonas Kaufmann als Stolzing - Typ
"Selbstgedrehte und Lederjacke"
Die schmucklose Festwiese
ist symmetrisch durch Gerüste und eine kleine Bühne skizziert, die an einen
Boxring erinnert. Walther von Stolzing schlurft mit Gitarrenkasten und in
Lederjacke herein. Ein cooler Typ, der sich gerne mal eine Selbstgedrehte
ansteckt, genervt schnauft, Kaffee mit Milch trinkt und der sich diebisch
freut, als Eva ihr Schultertuch verliert. Hastig hebt er es auf und neckt
sie damit. Mehr ist nicht drin zwischen den Verliebten.
Sara
Jakubiak hält nicht durch
Ohne ein Meistersinger zu sein,
hat Stolzing keine Chance bei Veit Pogners Tochter Eva, einem netten Mädchen
im Petticoat. Sara Jakubiak in der Rolle der steinreichen Goldschmiedtochter
kann den Herren zunächst gut das Wasser, besser gesagt die Bierflasche
reichen. Allerdings lässt ihre Kondition im 3. Akt hörbar nach, die
Textverständlichkeit verblasst. Wolfgang Koch als Hans Sachs, Markus Eiche,
der Sixtus Beckmesser gibt und Jonas Kaufmann als Stolzing stemmen den
Meistersinger-Marathon hingegen bis zur Schlussszene ohne zu erschlaffen und
vor allem deutlich artikuliert. Richard Wagner muss dran glauben
Regisseur David Bösch versetzt uns in einen nicht näher definierten Zeitraum
nach dem 2. Weltkrieg - die Kleidung der Darsteller, auf eine Leinwand
projizierte Zeitungsartikel, Werbeplakate, Fotos, sowie Sattelitenschüsseln
an Balkons geben einige die Anhaltspunkte. Bösch verzichtet auf Gags,
politische Anspielungen und dralle Bilder. Er erzählt einfach "nur" eine
Geschichte, ohne dabei simpel zu sein. Und er bleibt herrlich nah am
Textbuch von Richard Wagner. Der Meister persönlich bekommt sogar einen
Auftritt als Büste. Hier zeigt sich Böschs feiner Sinn für Humor: Der
Gehilfe von Hans Sachs poliert Wagners Schädel mit Glasreiniger und parliert
dabei über die Regeln der Meistersinger. Diese Tabulatur mutet mindestens so
kompliziert an wie Einsteins Relativitätstheorie. Stolzing versteht kein
Wort und zertrümmert grollend Wagners Konterfei. Dann dampft er ab in
Nürnbergs Gassen.
Ein Hauch von Eurovision-Songcontest
Benjamin Bruns gibt den Gehilfen David als eine Art Riesenbaby. Dessen
tumber Habitus steht im Gegensatz zur stimmlichen Souveränität und sorgt in
diesem Kontrast immer wieder für Überraschungen. Ein Höhepunkt ist sicher
das Ende des 2. Aktes. Mittlerweile befinden wir uns zwischen zwei
gammeligen Häuserblocks mit schiefen Rollläden. Im Vordergrund steht ein
Kastenwagen, die mobile Schusterwerkstatt von Hans Sachs. Das "open"- Schild
flackert im Rhythmus der Musik. Beckmesser hat sich auf einer Hebebühne vor
das Fenster der angebeteten Eva gefahren. Er trällert zur Ukulele und zum
Klopfen von Hans Sachs' Hammer seine Ballade. Als dann silbrig-glitzernde
Schnipsel, eine Lichterkette und Nebel den Sänger umhüllen, fehlt zur
Qualifikation für den Eurovision-Songcontest nicht mehr viel. Die
Nachbarschaft hält nichts von der Singerei mitten in der Nacht. Schnell wird
aus der wohlgemeinten Serenade eine Pyjamaprügelei. Mit einer Chorfuge gerät
schließlich alles aus den Fugen und Beckmesser wird windelweich gehauen.
Mit subtilem Humor gegen Deutschtümelei
Die
spartanische Inszenierung von David Bösch, der Verzicht auf bayerischen
Landhauscharme, der reduzierte Einsatz von Gags - das alles lässt viel Raum
für die Musik, die dafür umso deutlicher wahrgenommen wird. Feinsinnig wie
bei einem Feininger-Gemälde schichtet Petrenko die Klangfarben als
hauchdünne Glasscheiben übereinander. Und selbst in der Schlussszene, als
Wagners Text vor Deutschtum nur so strotzt, verliert Bösch nicht seinen
subtilen Humor. Der sturzbetrunkene Gehilfe von Hans Sachs übergibt sich in
den Meistersingerpokal - ein Statement, das man zum Thema "Nationalismus"
durchaus wörtlich nehmen kann. Beckmesser gibt sich die Kugel. Und Stolzing
hat zwar den Meistersingertitel ergattert und damit auch Eva. Aber auf den
Titel verzichtet er doch lieber und stolziert davon. Buhs für die Regie
Das Regieteam musste einige Buhs einstecken. Tosenden Applaus gab es vor
allem für Jonas Kaufmann, Wolfgang Koch und Kirill Petrenko.
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