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der Standard, 22.Juni 2016 |
Stefan Ender |
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Mahler: Das Lied von der Erde, Wien, Musikverein, 21. Juni 2016
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Jonas Kaufmann im Musikverein: Kaufmanns Courage |
Zusammen mit den Wiener Philharmonikern und Jonathan Nott |
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Er befindet sich im Moment im Zenit seiner künstlerischen Fähigkeiten: Jonas
Kaufmann, der Lieblingslockenkopf aller Opernliebhaberinnen. Seine Wiener
Fans hat der Münchner diesen Frühling schon in der Staatsoper zu
Schreihälsen der Begeisterung gemacht: Er wurde als Cavaradossi zum
Da-Capo-Mann. Zusammen mit den Wiener Philharmonikern und Jonathan Nott
wagte Kaufmann im Musikverein eine couragierte Unternehmung: Er
interpretierte in Mahlers Lied von der Erde beide Solistenpartien, also
sowohl die Lieder für Tenor- als auch die für Baritonstimme. Vollkehlig, vor
vokaler Potenz fast berstend, stürzte sich der 46-Jährige in Das Trinklied
vom Jammer der Erde: ein Kraftakt. Seine lyrischen Qualitäten demonstrierte
Kaufmann dann bei Der Einsame im Herbst, und gleichfalls, dass man ihn in
den Tiefen des großen A gerade noch hört. Sein eingestrichenes A war – bei
Der Trunkene im Frühling – wie eine feste Burg. Beim Baritonlied Der
Abschied bewies der Deutsche seine Qualitäten als singender Erzähler. Wenn
man bei Kaufmanns Soloprojekt auch den Wechsel der Stimmlagenfarben misste,
so war es doch ergreifend, den emotionalen Riesenraum des Werks von
lautester Lebensprallheit bis zum finalen Aushauchen von einer Stimme geeint
zu erleben. In der ersten Konzerthälfte hatte man nach einer
dienstleidenschaftlichen Coriolan-Ouvertüre bei Strauss' Tod und Verklärung
den Eindruck, dass die Wiener Philharmoniker und der für Daniele Gatti
eingesprungene Jonathan Nott lautstark aneinander vorbeimusizierten.
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