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Bachtrack, 08 Mai 2015 |
Von David Karlin
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck
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Verdi: La forza del destino, München, Mai 2015 |
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„Antiklerisch: La forza del destino in München
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Der Titel von Verdis La forza del destino schien mir schon immer eine
Fehlbezeichnung: Es entfaltet darin einiges an Macht seine Wirkung, doch es
ist die Macht des Rassismus, des Hasses, der Reue und der Rache. Wie genau
das Schicksal ins Spiel kommt, ist nicht klar. Für Regisseur Martin Kušej
ist das Wort „Schicksal“ eine Chiffre für die katholische Kirche, oder
vielmehr „jede Religion, die eine Gemeinschaft der Macht erschaffen und
pervertiert hat.“ Seine aktuelle Produktion an der Bayerischen Staatsoper
ist eine intelligente und einfallsreiche Umsetzung dieses Konzepts.
Der gütige Mönch Pater Guardiano ist kein anderer als die Wiedergeburt von
Leonoras autoritärem Vater, beide gesungen vom gleichen Bass mit der weichen
Stimme, Vitalij Kowaljow. Seinen Kumpanen Fra Melitone, gesungen von
Ambrogio Maestri (absolute Luxus-Besetzung für eine vergleichsweise kleine
Rolle), sah man zuvor als Familienkaplan der Calatravas. Guardianos Mönche
sehen einem Portrait einer ganzen Reihe von Leonoras Ahnen erschreckend
ähnlich, während ihre steinige Einsiedelei aus zerbrochenen Kreuzen
errichtet ist. Die Kriegsszenen im dritten Akt bekommen einen religiösen
Oberton, tragen sie sich doch in den Resten eines Abu Ghraib-ähnlichen
Lagers zu: hier lässt es eine relativ zurückhaltende Produktion ordentlich
krachen und gibt eine brillante Darstellung des Elends und der Schäbigkeit,
die ein Krieg mit sich bringt.
Die Besetzung wurde angeführt vom
Dream-Team Anja Harteros als Leonora und Jonas Kaufmann als ihr Geliebter
Don Alvaro. Beide zeigten die Qualitäten, die sie so gefragt machen –
fabelhaft klingendes Timbre, sorgfältige Phrasierung, dramatisches
Schauspiel und Stimmen, die bei jeder Note felsenfest stehen, ganz gleich
wie hoch, wie tief, wie lang, und wie anspruchsvoll die Passage. Doch der
Abend gehörte Harteros, deren Leistung bisweilen atemberaubend war. Ihre
Bitte an Gott, sie nicht zu verlassen ("Pièta di me, Signore, Deh non
m'abandonnar") war eines der außergewöhnlichsten ins Nichts verklingenden
Pianissimi, die je gehört habe.
Trotz all dieser Qualität aber nahm
das Zusammentreffen der Liebenden in der ersten Szene des ersten Aktes,
sonst ein so gewaltiger Kessel widersprüchlicher Emotionen,
merkwürdigerweise keine rechte Gestalt an. Zum Großteil lag das daran, dass
das Orchester nicht exakt war. Es war nichts falsch an Dirigent Asher Fischs
Ansätzen: seine Tempi waren gut, auch dynamische Kontrolle und Balance waren
in bester Ordnung. Aber dem Spiel fehlte Biss. Besonders in dieser Szene ist
die Partitur von La forza del destino stark akzentuiert und das Orchester
war einfach nicht zusammen genug, um sie durchschlagend umzusetzen. Das
gleiche galt für den Chor im Dorfgasthaus in der zweiten Szene. Nadia
Krasteva gab eine ansprechende, wissende Preziosilla, aber der Chor war eher
fransig. Die Sänger fanden jedoch in den religiösen Chören zu ihrer
Leistung, in denen die starken Einflüsse der russischen Liturgie (die Oper
wurde in St. Petersburg uraufgeführt) die Seele beruhigte und rührte.
Und von diesem Punkt an wurde die Vorstellung immer besser. Simone
Piazzola, der Ludovic TTézier ersetzte, zeigte eine ergreifende Darstellung
des rachsüchtigen Carlo. Der Großteil der Rolle besteht aus Duetten mit
Alvaro, und Piazzolas recht tenorähnlicher Bariton, sehr klar und kraftvoll
in der oberen Lage, verband sich darin eher mit Kaufmanns baritongleichem
Tenor, anstatt ihn zu kontrastieren. Ihre feindselige Szene im vierten Akt,
in dem die beiden Feinde untrennbar zusammengeschlossen werden, war
faszinierend. Piazzola mag nicht Kaufmanns völlige Festigkeit in allen Lagen
haben, aber er erwies sich als mehr als würdiger Partner.
Das
abschließende Trio unterstrich ein weiteres Mal, welch wundervollen Stimmen
wir da lauschten, und beschloss eine denkwürdige Produktion und einen
wunderbaren Opernabend, der mit einer besseren Orchesterleistung ein
unvergesslicher gewesen wäre.
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