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Die Welt, 7.8.2015 |
von Stefan Musil |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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"Fidelio" als Konzept, ["Figaro" als Klamotte"] |
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Mit "Opern von Beethoven und Mozart haben die Salzburger Festspiele ihr
knappes Premierenpensum erledigt. Zwei völlig differente Produktionen, von
denen jedoch keine richtig glücklich macht.
Die Gattenliebe. Bei
"Fidelio" wird sie am Ende besungen, bei Mozarts "Figaro" mit List von den
Frauen eingefordert. Bei Beethoven ist sie hehr, bei Mozart fragil und wird
wohl flüchtig bleiben. Genauso wie vermutlich auch die beiden
Neuproduktionen, die man bei den Salzburger Festspielen nun vorgestellt
bekam.
Claus Guth wagte dabei die Regieherausforderung mit Beethoven,
um die er nach eigenem Bekunden lange einen Bogen gemacht hat. So federt man
wohl ab, wenn man nicht restlos von der eigenen Arbeit überzeugt ist. Dabei
hat Guths Wagen an die Freiheits- und Humanismusutopie zumindest
interessante Ansätze, ist ein genau gedachter Versuch, sich dem sperrigen
Opernwerk aus heutigen Sicht anzunähern. Guth, der Grübler und Zweifler,
glaubt bei Fidelio nicht an eine Oper – und schon gar nicht an ein
glückliches Jubelfinale. Die Dialoge sind gestrichen. Nummer reiht sich an
Nummer. Dazwischen gibt es drohend dräuende Geräuscheinlagen: Brummen,
Dröhnen, Stimmengewirr, Atmen und Stöhnen.
Ausstatter Christian
Schmidt hat wieder einmal die weißen Kassettenwände ausgepackt, diesmal
überdimensional große. Aus denen hat er einen Raum auf Eck gestellt, in dem
die Personen beziehungslos herumgeistern. Ein schwarzer, geheimnisvoller
Kubus fährt dann aus dem Bühnenhimmel herab. Gleichsam ein Störelement, das
freilich benötigt wird, um die Auf- und Abtritte im türlosen Riesenzimmer zu
ermöglichen. Später fährt er auch hoch, um den Kerker und das Grab von
Florestan als Öffnung im Bühnenboden freizugeben.
Vor allem
statische Arrangements
Es sind vor allem statische
Arrangements, assoziative szenische Sequenzen, die diesen "Fidelio" fast
oratorienhaft vorsetzen. Jeder in diesem freudschen "Salon des
Unterbewussten" (so Guth) ist ein große Schatten werfender Gefangener seiner
selbst. Egal ob die am Ende ihrer Illusion ans Eheglück beraubte Marzelline
oder der vergebens um sie freiende Jaquino, die von Olga Bezsmertna und
Norbert Ernst ganz spießerbrav gesungen werden. Auch Rocco, dem Hans-Peter
König gepflegte Basstiefe verleiht, steht am Ende einsam auf seinen Stock
gestützt, der ihm zuvor durch die Nichthandlung geholfen hat.
Nur der
Bösewicht Don Pizarro, dem Tomasz Konieczny mit schneidend dunklem
Bassbariton einige Gefährlichkeit eingehaucht hat, knöpft sich befreit die
Hemdknöpfe auf, nachdem der Minister Don Fernando, bei Sebastian Holecek
tatsächlich durch und durch ein Beamter, die Sache geordnet hat. Und Leonore
und Florestan? Ihnen bleibt das glückliche Ende ebenso versagt. Denn
Florestan ist von seiner Gefangenschaft rettungslos schwer traumatisiert.
Statt an die Gattinnenbrust zu sinken, steht er herum und zuckt und windet
sich, sobald sich ihm jemand nähert. Am Ende dann, wenn der Wiener
Staatsopernchor als Volk prächtig jubelt, das freilich bei Guth ein hinter
die Bühne verbanntes Hirngespinst bleibt, und ein monströser Luster den
Fidelio-Salon erhellt, verlassen Florestan die Kräfte. Er bricht zusammen.
Alle Mühen von Leonore waren vergebens. Ihr hat Guth übrigens einen
Schatten, ein zweites Ich zur Seite gestellt. Nadia Kichler übersetzt in
Gebärdensprache, was Leonore bewegt. Zum Chorfinale schließlich fuchtelt sie
so wild herum, dass es längst komisch anmutet. Auch der Tänzer Paul
Lorenger, hat als Doppelgänger von Pizarro wieder seinen Auftritt. Das alles
hat etwas Redundantes. Am Ende ist dieser Fidelio dann doch nicht viel mehr
als ein in seiner Form erwartungsgemäßes Gedankenprodukt aus der Werkstatt
Guth/Schmidt, das der Opernangelegenheit wenig weiterhilft.
Jonas Kaufmann verströmt Sängerglück
Da kann selbst Jonas
Kaufmann nicht viel anrichten. Auch wenn er sich, wie erwartet und erhofft,
als das strahlende Sängerglück des Abends erweist. Herrlich, wie er sein
anfängliches "Gott", hinter dem dunklen Quader versteckt, in die
Festspielhalle hinein anschwellen lässt und mit seinem dunkel leuchtenden
Tenor die kurzen aber großen Hürden des Florestan beeindruckend meistert.
Hier kann die tapfere, aber wenig strahlkräftige und auch nicht immer
tonhöhensichere Leonore von Adrianne Pieczonka lange nicht mit.
Nur
Franz Welser-Möst hält dem am Pult mit den prächtig spielenden Wiener
Philharmonikern einiges entgegen. Da wurde hörbar und genau geprobt.
Welser-Möst gestaltet diesen "Fidelio" nervig, mit viel Feinsinn für Details
und Klang, versagt sich jegliches Pathos und erntet für die dritte
Leonoren-Ouvertüre dann endlich jenen Jubel, der dem Ganzen letztlich
versagt bleibt.
Dennoch muss man diesem "Fidelio" ein hohes Maß an
Interpretationsambition und Regie-Wollen attestieren.........
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