Vorarlberger Nachrichten, 6. August 2015
Von Christa Dietrich
 
Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
Unterkühlter Psychokrimi ließ das Publikum heiß laufen
 
Fidelio selbst wird nicht glücklich, das Festspielunternehmen darf es nun sein.
 
SALZBURG. Dieses Mal läuft alles wie geschmiert. Schon im Vorfeld bildete sich um die Neuinszenierung von Beethovens einziger Oper „Fidelio" ein enormer Medienhype, und nachdem am Dienstagabend vor dem Großen Festspielhaus in Salzburg ein gewaltiger Regenguss die sommerliche Schwüle vertrieb, entlud sich im Inneren ein noch massiverer Buh-Orkan. Nach den zufrieden und freundlich beklatschten Premieren von Rihms „Die Eroberung von Mexico" und Mozarts „Le nozze di Figaro" ist endlich etwas los unter dem Mönchsberg. Zumindest im Zuschauerraum, denn auf der breiten Bühne trimmt Regisseur Claus Guth mit seinem Ausstatter Christian Schmidt alles auf Leere. Man blickt in ein Eck eines bürgerlichen Salons, der mit einem Rasterparkett und verkleideten Wänden bereits so etwas wie ein Markenzeichen für Guths Psychospiele geworden ist, und verfolgt schreitende Figuren, die ihr Tempo so weit reduziert haben, dass sie fast schon aus den legendären Inszenierungen eines Robert Wilson stammen könnten. Nur die Musik, die Beethoven auch in der Absicht, ein Singspiel zu komponieren, niederschrieb, hopst und rast und wird - anstelle von Sprechpassagen -von einer Klanginstallation mit Atem- und Angstgeräuschen ergänzt.

Damit die Wände nicht nur weiß bleiben, werfen die Protagonisten darauf überdimensioniert bedrohliche Schatten, und damit klar wird, dass hier jeder sich selbst Feind ist oder sein Gefängnis selbst verschuldet, steht in der Mitte des Raumes ein schwarzer Kubus. So als hätte Heimo Zobemig ein Werk stehen gelassen. Aber nein, der Künstler, der heuer mit viel schwarzem Material den Österreich-Pavillon auf der Biennale in Venedig in den Griff bekam, wird in Bregenz demnächst eine Opernuraufführung ausstatten. Der Kubus hebt sich dann ja auch und gibt - was für ein Bruch - recht realistisch den Blick auf eine Gruft frei.

Was kein Beleuchter schafft
In Roccos Gefängnis ist bis dahin so weit alles klar. Leonore hat sich in Männerkleidung als Fidelio eingeschlichen, um Florestan zu befreien. Nicht nur grausame politische Verhältnisse behindern hier das Beziehungsglück, sondern innere Schranken. Zur Verdeutlichung erhalten sowohl Don Pizarro als auch Leonore/Fidelio ein herausforderndes Double. Im letzten Fall handelt es sich um eine Gebärdendolmetscherin, durch die sich Leonore - konzipiert als mutig voranschreitendes Vorbild an Gattinnenliebe - als mit sich kämpfende Person erweist. Adrianne Pieczonka macht das Beste draus, lyrisch wie dramatisch.

Jonas Kaufmann schafft es, den Florestan mit unverkennbarem Timbre zu versehen und dabei auch noch etwas völlig Konträres, nämlich den Dahinsiechenden zu singen. Dass Marzelline, die sich flugs in Fidelio verliebt, irgendwie nicht ins Konzept passt, mindert die Durchschlagskraft von Olga Bezsmertna, zumeist bestätigt sie neben Tomasz Konieczny (Don Pizarro), Hans-Peter König (Rocco) und vor allem Sebastian Holecek (Don Fernando) aber das hohe Niveau der Besetzung.

Dass Florestan stirbt, ist nicht neu in der Aufführungsgeschichte des Werks, zuweilen wurde aber eine Möglichkeit gefunden, der Musik zu entsprechen, die Handlung beispielswiese als Vision weiterlaufen zu lassen. Denn fast scheint es, als hätte man das Auseinanderdriften von Inszenierung und Musik durchaus unterstreichen wollen. Bei geschlossenem Vorhang peitscht Franz Welser-Möst mit den Wiener Philharmonikern die große Leonoren-Ouvertüre vor dem letzten Bild zum Statement des Komponisten auf. Ein Ringen um Freiheit, nicht dem Effekt gehuldigt und dennoch so, dass jede Schattierung klar wird, die wohl kein Beleuchter hinkriegt.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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