Der Neue Merker
Peter Dusek
 
Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
Großes Festspielhaus: FIDELIO – WIDER DIE IDEEN BEETHOVENS.
 
Musikalisch ein großer Wurf – von der Regie her ein Debakel. So könnte man die Salzburger Premiere von Beethovens einziger Oper Fidelio im August 2015 zusammenfassen. Das ganze Elend des modernen Regietheaters lässt sich an dieser Produktion von Claus Guth und Christian Schmidt studieren, bei der Franz Welser-Möst, Adrianne Pieczonka und Jonas Kaufmann überschwänglich gefeiert und der deutsche Regisseur mit seinem Team vehement ausgebuht wurde. Also fangen wir mit den positiven Aspekten an. Die Wiener Philharmoniker und eine ausgewogene Besetzung vermittel das Gefühl, dass Salzburg mitunter seinen eigenen Ansprüchen noch immer voll gerecht wird. Norbert Ernst und Olga Bezsmertna sind ein hochkarätiges Duo Jaquino und Marzelline. Hans Peter König ist ein gepflegter allzu biederer Rocco. Leider sind sie alle – zusammen mit Pizarro Tomasz Konieczny – Opfer einer Anti-Singspiel Mentalität, die bei Fidelio schon öfters „durchgeschlagen“ hat. Diesmal gilt. Weg mit allen Textstellen des „Singspiels“. Dafür nervt den ganzen Abend eine Übertragung in die Gehörlosensprache. Sowohl Leonore wie Florestan werden „assistiert“, und man ergänzt die fehlende Zeit durch Geräusche jeder Art. Stöhnen und Wimmern, Dröhnen von Bomben-Flugzeugen. Der Phantasie werden keinerlei Fesseln angelegt. Auf der Bühne ein magischer schwarzer Kubus. Die Gefangenen werden durch Tageshelle gefoltert.

Der Chor (Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Leitung Ernst Raffelsberger) darf nicht viel bieten. Am Ende wird der Finalchor ganz hinter die Bühne verbannt…Was bleibt: schöne Arien und Ouvertüren, besonders die 3.Leonoren. Adrianne Pieczonka ist eine großartige jungdramatische Leonore, sie wird allerdings in die Rolle noch hineinwachsen. Der „Farbenbogen“ und die Kerkerszene sind schon jetzt „Top“. Jonas Kaufmann ist ein hinreißender Florestan, sein Aufbegehren gegen politische Willkür geht unter die Haut. Den Mittelteil der Arie singt er wie ein Schubert-Lied, das Ende wie ein künftiger Tannhäuser. Leider ist auch das Florestan-Konzept – epileptische Zuckungen als Angst-Attacken – wider die Natur der Ideen von Beethoven. Mit der Jubel-Musik des Finales stirbt man nicht. Aber wen interessiert im „leading team“ überhaupt Beethoven? Ein Wunder, dass im Finale ein leibhaftiger Minister auftaucht. Sebastian Holecek füllt die große Bühne mühelos. Seine Befreiungs-Meldung sitzt, ein grandioser Minister. Leider geht seine Botschaft ins Leere. Der Final-Chor passt nicht ins Konzept von Herrn Guth. Also lasst man ihn einfach weg. Am Ende großer Jubel für die Musiker und 90prozentige Ablehnung der „Neudeuter“. So klar ist das Urteil selten.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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