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OÖ Nachrichten, 06. August 2015 |
Michael Wruss |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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Freiheit ist relativ und bloß eine Utopie |
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Jubel für Welser-Möst und Buhrufe für Guth bei der "Fidelio"-Premiere in Salzburg.
Der beste Florestan unserer Tage: Jonas Kaufmann |
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Die Premiere von Beethovens Befreiungsoper "Fidelio" am Dienstag im Großen
Festspielhaus war ein Triumph der Wiener Philharmoniker und von Franz
Welser-Möst. Seine Lesart ist radikal neu und in vielen Bereichen erhellend.
So deutlich waren viele Details noch nie zu hören, und die Tempi waren
darauf abgestimmt, zum Aufpassen zu zwingen. Kein Wunder, dass es nach der
schon traditionell vor der letzten Szene eingeschobenen und zum Bersten
spannend interpretierten "Leonoren"-Ouvertüre Nr. III den ersten lautstarken
Applaus des Abends gab, und dass das Dream-Team Philharmoniker–Welser-Möst
auch am Ende herzlich bejubelt wurde.
Die Arbeit des Regieteams buhte
das Publikum aus – eher aus Verzweiflung als das Gesehene bewertend. Claus
Guth weiß, was er tut, nur hat er diesmal einen verstörenden Blick auf die
Protagonisten geworfen. Freiheit ist ein innerer Wert und bleibt doch
Utopie. Florestan fühlt sich in seinem finsteren Kerker frei und kann seiner
mutigen Rettung durch Leonore nichts abgewinnen. Vielmehr kam diese zu spät,
um den bereits in einer ganz anderen Welt Lebenden noch zu retten. Kein
Freudentaumel, sondern der Kollaps eines gebrochenen Menschen.
Das
"Ich" ist ein Gefängnis
Guths Florestan ist nicht der Einzige, der
seine Rettung nicht überlebt. Aber nicht nur das hat viele erschüttert,
sondern auch der Umstand, dass jeglicher Realismus ausgeblendet wurde und
das Gefängnis einem klassizistisch mit weißen Kassetten getäfelten Saal
(Ausstattung Christian Schmidt) glich, in dem der rote Teppich und der
Kronleuchter des Finalbildes das alltägliche Gefängnis, das
Nicht-Ausbrechen-Können aus dem Ich, zeigten. Alle sind Gefangene – selbst
Rocco ist kein Gefängniswärter, sondern ein Vertreter des Bürgertums mit
Frack und Gehstock –, Fidelio als nüchtern kühl beleuchtetes (Licht: Olaf
Freese) kaltblütiges Spiegelbild unserer Gesellschaft. Und das vertragen
vielleicht jene, die wie Pizarro glauben, Freiheit mit Geld kaufen zu
können, dann doch nicht. Verstörend aber auch der Verzicht auf Dialoge und
dafür die Einblendung von Klanginstallationen (Torsten Ottersberg), die wie
die Schatten von Leonore und Pizarro eine Metaebene schaffen und in die
Seele der Figuren blicken lassen. Dabei ist es schon fast unwesentlich, dass
das weibliche Leonoren-Double die Gefühle in die akustische Leere, aber
emotionale Gestik der Gebärdensprache transformiert.
Jonas Kaufmann
ist der beste Florestan unserer Tage, und er bewies das nicht nur durch
seine Stimme, sondern auch durch intensives Spiel. Adrianne Pieczonka ist
eine fabelhafte Leonore, die aber szenisch nicht eindeutig agierte. Tomaz
Konieczny wäre ein grandioser Pizarro, der vor allem die Höhe und Stimmkraft
mitbrächte, aber trotzdem an diesem Abend bedeckt blieb. Hans-Peter König
war ein ordentlicher Rocco, Olga Bezsmertna und Norbert Ernst ein feines
"Mazelline und Jaquino"-Paar, und Sebastian Holecek verkörperte ideal den
beamteten Deus ex machina. Viele Bravos für die Sänger. |
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