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BR Klassik, 09.12.2015 |
von Franziska Stürz
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Berlioz: La damnation de Faust, Paris, Opera Bastille, 8. Dezember 2015
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Hermanis inszeniert "La Damnation de Faust" in Paris |
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Mit der Kritik an Deutschlands Flüchtlingspolitik hat der lettische
Regisseur Alvis Hermanis einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. An der
Pariser Oper hat er jetzt "La Damnation de Faust" von Hector Berlioz
inszeniert. Mit Jonas Kaufmann als Faust in der Titelrolle.
Aufbruch zum Mars
Wer ist der Faust unserer Zeit?
Diese Frage stellt Regisseur Alvis Hermanis sich und dem Publikum in einem
szenischen Prolog und liefert gleich die Antwort: Stephen Hawking, der durch
Krankheit paralysierte und an den Rollstuhl gefesselte Physiker. Der hat
gesagt "Wenn die Menschheit überleben will, muss sie sich in neue,
unberührte Welten aufmachen". Also bricht bei Hermanis zu Beginn der Oper
gerade ein auserwählter Teil der Menschheit auf zum Mars, um diesen zu
bevölkern. Warum? Na weil Faust ja auch dieser Welt überdrüssig ist.
Jonas Kaufmann als Normalo in Jeans und Sakko mit Intellektuellenbrille darf
dann mit seinem Osterspaziergang beginnen und die Natur bewundern.
Großaufnahmen von Naturvideos von Katrina Neiburga laufen in Zeitlupe über
die ansonsten nur mit Glaskästen bestückte Bühne. Aha, denkt man am Anfang,
das kann ja spannend werden.
Symphatischer Mephisto und
sourveräner Faust
Musikalisch spannend ist es auch. Philippe
Jordan gelingen sowohl die kammermusikalisch zarten Stellen, als auch die
gewaltigen dramatischen Passagen im Riesenraum der Bastille-Oper. Zu den
Ballettmusiken tanzt und verdreht sich ein großer Bewegungschor junger
Menschen eindrucksvoll aber auch ermüdend. Bryn Terfel als ziemlich
sympathischer Mephisto im Anzug gesellt sich fabelhaft singend zu Kaufmanns
souveränem Faust und zu Stephen Hawking, der vom Tänzer Dominique Mercy
lebensecht dargestellt wird. Die Welt ist ein Forschungslabor, in den
Glaskasten werden Menschen gequält. Wir sehen per Video eine Walfischkuh mit
Kalb, die Entstehung eines menschlichen Embryos und – ein echter Lacher:
Schneckensex zu Marguerites Liebesarie. Dabei singt Sophie Koch davon
unbeeinflusst mit mädchenhaft berührender herrlich runder Stimme.
Die Mars-Hawking-Story von Hermanis findet im Höllenfinale ihr Ende, wenn
anstelle von Marguerite eben wieder Stephen Hawking in einer Apotheose
verklärt wird. Selten ist sich ein Publikum so einig im Jubel für die
musikalische Seite und einem vernichtenden Buhorkan, der das Regieteam von
der Bühne vertreibt. Ein extremes Erlebnis in jeder Hinsicht ist diese
Pariser Neuproduktion. Szenisch überladen mit künstlerischer Energie, die
sich selbst neutralisiert, musikalisch hochintensiv und somit als
Gesamteindruck dem Wahnsinn von Fausts Verdammnis wiederum ziemlich nahe.
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